2.1. Nomenklatur

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<left><h2>2.1. Nomenklatur</h2></left>

Definition & Hintergrund

              

Nomenklatur = System der Namensgebung von Molekülen

Um Moleküle in der Chemie verständlich zu benennen, bedarf es einer systematischen und internationalen Nomenklatur.
Aus diesem Grund wurde 1919 die IUPAC (engl. International Union of Pure and Applied Chemestry) gegründet. Sie ist die international anerkannte Behörde für chemische Nomenklatur und Terminologie. Sie definiert die sogenannten IUPAC-Regeln. Mit diesen Regeln können sämtliche Moleküle einheitlich benannt werden.

In den folgenden Kapiteln werden dir Schritt für Schritt die wichtigsten IUPAC-Regeln vorgestellt und anhand von Beispielen und Übungen verdeutlicht, sodass auch du Moleküle in Zukunft einheitlich benennen kannst.

              

2.1.1. Homologe Reihe der Alkane

              

Grundlage zur Benennung organischer Stoffe ist die homologe Reihe der Alkane. Dabei handelt es sich um gesättigte (d.h. keine Doppel- oder Dreifachbindungen), unverzweigte, azyklische Kohlenwasserstoffe. Je nach Länge der Kohlenstoffkette werden diese unterschiedlich benannt. Der Name setzt sich dabei aus einem Zahlenwort (meist aus dem Griechischen stammend) und der Endung „-an“ zusammen.

In der folgenden Tabelle findest du eine Übersicht der ersten zwölf Vertreter der homologen Reihe. Wie in dieser Tabelle zu sehen, wird ab Propan dem jeweiligen Namen ein „n-“ vorangestellt. Das klein geschriebene „n-“ in der Bezeichnung weist darauf hin, dass es sich bei dem entsprechenden Alkan um eine unverzweigte Kette handelt. Bestimmte Verzweigungstypen haben ebenfalls eine charakteristische Vorsilbe. Hierzu später mehr in einem der folgenden Absätze.

              
              
                 

2.1.2. Verzweigte und zyklische Alkane

              

Je nach Verzweigungsgrad der Kohlenstoffatme in einem Molekül, wird zwischen primären (ein benachbartes C-Atom), sekundären (zwei benachbarte C-Atome), tertiären (drei benachbarte C-Atome) und quartären (vier benachbarte C-Atome) Kohlenstoffatomen unterschieden.

            
                   

2.1.2.1. Verzweigte Alkane

Die längste Kohelnstoffkette bildet dabei den Stammnamen des Moleküls. Weitere alkan-artige Kohlenstoffketten, die an die längste Kette gebunden sind, werden als  sogenannte Alkylgruppen bezeichnet. Diese Gruppen des Moleküls werden ebenfalls entsprechend ihrer Länge nach, gemäß dem zugrunde liegenden Alkan benannt. Hierbei wird jedoch die Endung „-an“ durch „-yl“ ersetzt.

                   
                  

Mit steigender Anzahl an Kohlenstoffatomen steigt auch die Anzahl der Möglichkeiten für deren kovalente Verknüpfung. Deshalb kommen alle Alkane mit einer höheren Zahl an Kohlenstoffatomen als Propan in einer Vielzahl von Konstitutionsisomeren (siehe hierzu Kursteil 2.3. Isomerie) vor. Um das entsprechende Isomer einfach zu kennzeichnen, gibt es verschiedene Vorsilben.
Eine davon – das kleine „n-“ – wurde bereits unter "2.1.2. Homologe Reihe der Alkane" vorgestellt.

In der untenstehenden Tabelle sind die Vorsilben aufgelistet, welche zur Beschreibung der Verzweigung einer Alkylgruppe bzw. eines Alkans dienen. In dieser Tabelle ist alles am Beispiel von -Pentyl dargestellt. Weitere gebräuchliche Beispiele wären iso-Propyl und tert-Butyl.

              
                
                

2.1.2.1.1. Benennung verzweigter Kohlenwasserstoffe
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  1. Finde die längste KohlenstoffketteDie längste Kohlenstoffkette bildet den Stammnamen und wird als sogenannte Hauptkette bezeichnet. Alle verbliebenen Alkylreste sind Substituenten dieser Kette.
  2. Identifiziere die SubstituentenBei Monosubstituierung, d.h. nur ein Alkylrest, erfolgt die Nummerierung der Hauptkette so, dass der Substituent die niedrigste mögliche Zahl erhält. Bei Mehrfachsubstitution ist diejenige Nummerierung korrekt, bei der die niedrigste mögliche Position (Singular!) auftritt. Die Nummerierung erfolgt also nur in Bezug auf einen einzigen Substituenten. Befinden sich zwei Substituenten in äquivalenter Position, so werden die jeweils nächsten Substituenten betrachtet, solange bis ein Unterschied bezüglich der kleineren Positionsziffer besteht. Befinden sich alle folgenden Substituenten ebenfalls in äquivalenten Positionen, dann erhält die in der alphabetischen Reihenfolge zuerst genannte Gruppe die niedrigere Zahl.
  3. Benenne die SubstituentenAnschließend werden die Substituenten mit der Endung „-yl“ versehen. Kommen einzelne Substituenten mehrmals vor, so wird dies durch ein Zahlwort gekennzeichnet wie z.B. "di, tri, tetra, penta, hexa, hepta,.."Sind identische Seitenketten ihrerseits ebenfalls weiter verzweigt, so werden die Vorsilben "bis, tris, tetrakis,..." verwendet.
  4. Finalisiere die Sortierung der SubstituentenDie unterschiedlichen Substituenten werden alphabetisch sortiert. (Ohne Beachtung der Zahlpräfixe, d.h. griechische Vorsilben wie „di-“ spielen für die Reihenfolge keine Rolle).

               
Beispiel

Schritt 1 & 2: Finde die längste Kette und die korrekte Nummerierung.
Schritt 3: Versehe die Substituenten mit „-yl“ und dem passenden Zahlpräfix, sofern ein Substituent mehr als einmal vorkommt.
Schritt 4: Ordne die verschiedenen Substituenten in alphabetischer Reihenfolge.
(Ohne Beachtung der Zahlpräfixe, d.h. griechische Vorsilben wie „di-“ spielen für die Reihenfolge keine Rolle).
        
           
Beispielaufgabe - "Bennenung eines verzweigten Alkans"
               

2.1.2.2. Zyklische Alkane

Handelt es sich um eine monozyklische Verbindung, erfolgt die Benennung wie bei linearen Kohlenstoffketten. Zusätzlich wird die Vorsilbe „Cyclo-“ dem Stammnamen vorangestellt. Die Nummerierung erfolgt analog zu linearen Alkanen, d.h. die Positionierung der Substituenten erfolgt so, dass eine möglichst kleine Zahl der Positionen entsteht.

Beispiel
              

2.1.3. Funktionelle Gruppen

Eine funktionellen Gruppe ist eine Atomgruppe in einer Verbindung, die die Stoffeigenschaften und das Reaktionsverhalten der Verbindung maßgeblich bestimmt. Beispiele für funktionelle Gruppen sind C-C-Doppel- und Dreifachbindungen, Aldehyde, Fluor, Brom, uvm.

Enthält eine Verbindung funktionelle Gruppen, so können diese auf zwei Arten benannt werden. Entweder kann diese vor dem Stammnamen, d.h. als Präfix, oder nach dem Stammnamen, d.h. als Suffix, benannt werden. Ob ein Präfix oder ein Suffix verwendet wird, richtet sich nach der Art der funktionellen Gruppe und welche weiteren Gruppen es noch im Molekül gibt. Als Suffix wird immer der Substituent mit der höchsten Priorität bestimmt. Dieser gibt die Stoffklasse des Moleküls an!

(Hinweis: Auf Details zu unterschiedlichen Prioritäten und Bedeutungen dieser Gruppen werden wir im Kapitel 2.4. Funktionelle Gruppen noch detaillierter eingehen. Für die Benennungsregeln greifen wir einen kleinen Teil hier schon voraus.)

Der vollständige Name der Verbindung setzt sich also wie folgt zusammen:

Substituenten können anhand ihrer Benennung in drei Kategorien unterteilt werden:
  1. Funktionelle Gruppe nur als Präfix benannt.
  2. Funktionelle Gruppe nur als Suffix benannt.
  3. Funktionelle Gruppe als Prä- sowie Suffix.

2.1.3.1. Funktionelle Gruppen nur als Präfix

Fluor, Chlor, Brom, Iod, Nitro

Die Benennung erfolgt analog wie bei verzweigten Alkanen (2.1.2.1. Verzweigte Alkane). Die Substituenten werden alphabetisch dem Stammnamen voran gestellt und die Nummerierung der längsten Kette erfolgt nach niedrigster Positionsziffer bzw. als nachgeordnetes Kriterium alphabetisch.

Beispiel
              

2.1.3.2. Funktionelle Gruppen nur als Suffix

Manche funktionellen Gruppen können nur als Suffix benannt werden, ein Beispiel hierfür sind C-C-Doppel- und C-C-Dreifachbindungen.

C-C-Doppel- und C-C-Dreifachbindungen

Ist keine funktionelle Gruppe mit höherer Priorität vorhanden (vgl. Zu 3), erfolgt die Benennung der ungesättigten Verbindung nach folgenden Regeln.
  1. Die längste zusammenhängende C-Kette, welche die Mehrfachbindung enthält, ergibt den Stammnamen. Dieser setzt sich dabei aus einem Zahlenwort und der Endung „‑en“ für C-C-Doppelbindungen bzw. „-in“ für C-C-Dreifachbindungen zusammen (2.1.1.). Ist mehr als eine Doppel- bzw. Dreifachbindung vorhanden, so bildet diejenige Kette mit der größten Summe an Mehrfachbindungen den Stammnamen.
  2. Kommt eine C-C-Doppel- bzw. C-C-Dreifachbindung mehrmals vor, so wird dies durch eine Vorsilbe: „di-“, „tri-“, „tetra-“, „penta-“ usw. sowie durch die Position der entsprechenden Mehrfachbindungen gekennzeichnet.
  3. Die Nummerierung der Kette erfolgt so, dass die Mehrfachbindung die niedrigste mögliche Position erhält. Sind Doppel- und Dreifachbindung in äquivalenter Position, so bekommt die Doppelbindung die niedrigere Position, da alphabetisch „-en“ vor „‑in“ steht.
  4. Darüber hinaus muss für Doppelbindungen deren Konfiguration angegeben werden. Dies erfolgt mittels Cahn-Ingold-Prelog Nomenklatur (vgl. 2.1.5. Cahn-Ingold-Prelog-Nomenklatur).
  5. Alle restlichen Substituenten werden analog zur Benennung verzweigter Alkane alphabetisch geordnet und dem Stammnamen vorangestellt.

          
Beispiel
        

2.1.3.3. Funktionelle Gruppen als Prä- und Suffix

Enthält die zu benennende Verbindung eine der, in der unten folgenden Tabelle, aufgeführten funktionellen Gruppe, werden diese, gemäß der Priorität der funktionellen Gruppe, nach folgenden Regeln benannt:
  1. Zunächst wird die funktionelle Gruppe mit höchster Priorität gesucht. (Darunter versteht man diejenige Gruppe, die in der unten folgenden Tabelle am weitesten oben steht.) Diese bildet die Verbindungsklasse (auch Stoffklasse genannt) und wird mit dementsprechenden Suffix benannt.

  2. Anschließend wird die längste C-Kette gesucht, welche die funktionelle Gruppe enthält. Kommt diese Gruppe mehrmals vor, so sucht man eine Kette, die möglichst viele davon enthält.

  3. Die Nummerierung erfolgt so, dass die funktionelle Gruppe mit höchster Priorität die kleinste mögliche Position erhält.

  4. Alle weiteren Substituenten, mit Ausnahme von „-en“ und „-in“, werden mit deren Präfixen benannt.

Hier noch einmal der Hinweis: Wir behandeln funktionelle Gruppen und deren Prioritäten in einem separaten E-Learning Kursteil, deshalb gehen wir hier nicht ausführlich auf die Priorisierungen ein.

          
          
Beispiel
        

2.1.4. Aromatische Verbindungen

Aromatische Verbindungen lassen sich formal von Benzen (Benzol) ableiten, während die Aliphaten die Gruppe der nichtaromatischen Verbindungen bilden. Viele aromatische Verbindungen besitzen Trivialnamen (vgl. "Übersicht wichtiger einkerniger/mehrkerniger Aromaten" unten), jedoch empfiehlt es sich dem Nomenklatursystem der IUPAC zu folgen. Diese bemühen sich der Stoffklasse der Aromaten eine passende Endung zu verleihen. So hat die IUPAC für aromatische Verbindung die Endung‑en“ eingeführt, wie z.B. Benzen. Die Trivialnamen der aromatischen Verbindungen sind jedoch noch weit verbreitet, weshalb sich bisher noch keine systematische Benennung durchgesetzt hat.

            
Übersicht wichtiger einkerniger Aromaten
                   
Übersicht wichtiger mehrkerniger Aromaten
     

Die Benennung bezüglich Nummerierung und alphabetischer Anordnung der Substituenten erfolgt nach denselben Regeln wie für aliphatische Verbindungen. Der aromatische Teil einer organischen Verbindung kann entweder als Präfix oder als Suffix benannt werden.

     

2.1.4.1. Benennung als Suffix

Hierbei bildet der Aromat – meistens dessen Trivialname – den Stammnamen. Wenn sich zwei Substituenten am Ring befinden, kann die Stellung der zwei Reste zueinander durch die Vorsilben „ortho-“ (für Stellung in 1,2-), „meta-“ (für Stellung in 1,3-) und „para-“ (für Stellung in 1,4-) angegeben werden.

          
Beispiele
                 
     

2.1.4.2. Benennung als Präfix

Hierbei liefert der aliphatische Teil der Verbindung den Stammnamen und der aromatische Teil wird als Seitenkette benannt. Dabei wird für Benzol beispielsweise das Präfix „Phenyl‑“ verwendet. In der untenstehenden Abbildung sind wichtige aromatische Gruppen und deren Präfixe dargestellt.

          
     
Beispiel
     
          
          

Welche Nomenklatur verwendet wird hängt von Fall zu Fall ab. In vielen Fällen sind beide Bezeichnungen möglich. Ziel der Benennung sollte jedoch stets ein möglichst einfacher Name sein.

     

2.1.5. Cahn-Ingold-Prelog-Nomenklatur (CIP)

Die Cahn-Ingold-Prelog-Konvention dient der eindeutigen Beschreibung der räumlichen Anordnung der unterschiedlichen Substituenten an Atomen (R/S-Nomenklatur) oder an einer Doppelbindung (E/Z-Nomenklatur). Weshalb eine genaue Beschreibung notwendig ist erfahrt ihr im Kapitel 2.3. Isomerie. 


Zuordnung der Prioritäten

Ziel der CIP-Nomenklatur ist es den vier unterschiedlichen Substituenten, des Chiralitätszentrums oder der Doppelbindung, die Prioritäten 1 bis 4 zuzuordnen.
  1. Zunächst werden die ersten Atome der Substituenten, die unmittelbar am asymmetrischen C-Atom bzw. an der Doppelbindung gebunden sind, miteinander verglichen. Diese Atome entsprechen der sogenannten ersten Sphäre. Anschließend erfolgt eine Abstufung der Prioritäten von hoher nach niedriger Ordnungszahl.

  2. Sind zwei oder mehr Atome identische, so werden diese durch die in der zweiten Sphäre an sie gebundenen ersetzt und miteinander verglichen.

  3. Kann auch in der zweiten Sphäre kein Unterschied festgestellt werden, so wird die dritte Sphäre usw. betrachtet.

          
Beispiel
          
     

2.1.5.1. E/Z

Die Konfiguration von Doppelbindungen wird nach dem E/Z-Formalismus bestimmt. Die Priorität der Substituenten auf jeder Doppelbindungshälfte erfolgt nach Cahn-Ingold-Prelog. Die Konfiguration der Substituenten höherer Priorität erlaubt die E/Z-Bezeichnung. Stehen diese Reste zusammen, so wird ein „Z“ bzw. „cis“ verwendet. Haben diese Reste eine entgegengesetzte Konfiguration, wird dies durch ein „E“ bzw. „trans“ gekennzeichnet. Die Doppelbindungskonfiguration wird vor dem systematischen Namen kursiv in Klammer () gesetzt.

          
Beispiel
          
          

2.1.5.2. R/S

Enthält die zu benennende Verbindung ein asymmetrisches Kohlenstoffatom, d.h. ein C-Atom mit vier unterschiedlichen Bindungspartnern, so muss dessen Konfiguration angegeben werden (vgl. Kapitel 2.3 Isomerie). Eine Möglichkeit bietet der R/S-Formalismus. Zunächst wird die jeweilige Priorität der vier Substituenten nach CIP festgelegt. Dann wird dieses tetraedrische C-Atom so gedreht, dass der Substituent mit der niedrigsten Priorität nach hinten zeigt. Die Abfolge nach abnehmender Priorität der anderen drei Substituenten entspricht dann entweder einer Rotation im Uhrzeigersinn (nach rechts: R-Konfiguration) oder gegen den Uhrzeigersinn (nach links: entspricht S-Konfiguration). Die Lage und Konfiguration werden vor dem systematischen Namen kursiv in Klammer () gesetzt.

          
Beispiel