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Online-Planspiele und Online-Simulationen in den Gesellschaftswissenschaften

Luisa Scherzinger
Definition - worum geht’s?
Online-Planspiele sind eine handlungsorientierte Lehr- und Lernmethode, bei der Schülerinnen und Schüler innerhalb eines fiktiven, aber gleichzeitig möglichst realistischen, problemorientierten Online-Szenarios Einblicke in die Praxis erhalten, in Bezug auf eine bestimmte Zielsetzung Entscheidungen treffen müssen und dadurch Problemlösekompetenzen entwickeln sollen. Vor allem die Handlungserfahrung und das Ausprobieren stehen dabei im Vordergrund. Beispielsweise sind Unternehmensplanspiele im Wirtschaftsunterricht besonders beliebt, da sie den Lernenden die verschiedenen Bereiche und die Organisation eines Unternehmens aufzeigen. So können sie die Berufsvorstellung(en) der Lernenden beeinflussen. Bei reinen Online-Simulationen als zweite Lehr-/Lernmethode steht hingegen das Finden von Lösungen im Vordergrund. Reale, komplexe und häufig langwierige Prozesse werden in vereinfachter und verkürzter Form abgebildet und damit für die Lernenden zugänglich gemacht. Besonders im Politikunterricht finden Online-Simulationen Anwendung. Beispielsweise werden Sitzungen von internationalen Organisationen wie der NATO nachgeahmt, um die komplexen Zusammenhänge und die Hürden bei der Findung von Kompromissen aufzuzeigen. Beide Methoden fallen unter den Oberbegriff der Gamification, welcher eine Nutzung von spielerischem Denken und Spielmechanismen in nicht-spielerischen Kontexten beschreibt, bei der Lernende zum Problemlösen motiviert werden. Weiterhin bieten beide Settings einen geschützten Raum zum Experimentieren, bei dem auch Misserfolge erlaubt sind und der keine harten Konsequenzen (zum Beispiel durch eine Notengebung) aufweist. Dadurch eignen sich beide Methoden sehr gut für den Einsatz im Unterricht.
Funktionen für das Lernen  - was wird ermöglicht / unterstützt?

Online-Planspiele und Online-Simulationen können sowohl in der anfänglichen Phase des Wissenserwerbs als auch zur Vertiefung des Gelernten genutzt werden. Sie ermöglichen eine starke Schülerzentrierung und eine aktive Rolle der Lernenden. Gleichzeitig können in der Reflexionsphase, die verschiedenen Perspektiven, Herangehensweisen oder Standpunkte der Beteiligten näher beleuchtet und so ein tieferes Verständnis hervorgerufen werden. Hier gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass der Einsatz von solchen Spielmechanismen nicht direkt mit den Lernergebnissen der Schülerinnen und Schüler zusammenhängt. Die Lernergebnisse werden indirekt über das Verhalten und die Einstellung der Lernenden beeinflusst. Eine Meta-Analyse konnte hierbei positive – wenn auch geringe – Effekte von Gamification auf die kognitiven, motivationalen und verhaltensbasierten Lernergebnisse nachweisen.

 
Gelingensbedingungen für den erfolgreichen Einsatz - wann funktioniert’s und wann nicht?

Beim Einsatz von Online-Planspielen und -Simulationen ist eine angemessene Einbettung in das Unterrichtsgeschehen unumgänglich. Insbesondere sollte in der Vorbereitungsphase eine verständliche Einführung erfolgen und die Schülerinnen und Schüler während der Durchführung begleitet werden. Wichtig sind auch eine intensive Nachbesprechung und die inhaltliche Eingliederung in die übergeordnete Thematik. Für diese Schritte muss ausreichend Zeit eingeplant werden: So müssen die Lernenden für die Spieldurchführung selbst eventuell auch einen Tag vom normalen Unterrichtsalltag freigestellt werden. Natürlich können Planspiele und Simulationen auch in nicht digitaler Form durchgeführt werden.  Aufgrund des gerade erläuterten hohen Zeitaufwands bietet sich die Online-Variante jedoch an, denn hier können die Schülerinnen und Schüler auch von zu Hause arbeiten und die Spieldurchführung kann asynchron stattfinden, wodurch eine Freistellung hinfällig wird. Außerdem können komplexe Inhalte online leichter miteinander verknüpft und durch interaktive Modelle abgebildet werden, was eine systematische Herangehensweise ermöglicht und somit einen weiteren Vorteil der Online-Variante darstellt. 

Neben diesen Voraussetzungen zur unterstützenden Lernumgebung braucht es für effektive Lernprozesse vor allem intrinsische Motivation, welche durch das Vorhandensein von Autonomie, Kompetenzerleben und soziale Eingebundenheit gefördert wird. Folglich muss die Umsetzungen der Planspiele und Simulationen ausreichend Handlungsspielräume bieten, Kompetenzen zum Lösen von Problemen fördern sowie die Verständigung und das Verständnis der Lernenden unterstützen.
Beispiele

Wirtschaftsunterricht
  • Isle of Economy (Grundlegende Wirtschaftsmechanismen, ab Klasse 9) 
  • Stratopoly (Unternehmensplanspiel, Sekundarstufe II) Hinweis: 99€ im Jahr 
PolitikunterrichtGeographieunterricht  
Weitere Informationen zum Thema Online-Planspiele in den Gesellschaftswissenschaften finden sich im Video:
Literatur - Evidenz

Deterding, S., Dixon, D., Khaled, R. & Nacke, L. (2011). From game design elements to gamefulness: defining “gamification”. In A. Lugmayr (Hrsg.), Proceedings of the 15th International Academic Mindtrek Conference: Envisioning Future Media Environments (S. 9-15). New York: ACM.

Landeszentrale für politische Bildung (2019). Digital ist besser? Die Leitperspektive Medienbildung in Schule und Unterricht. Politik und Unterricht 2. https://www.lpb-bw.de/publikation3360.

Sailer, M. & Homner, L. (2019). The Gamification of Learning: a Meta-Analysis. Educational Psychology Review, 32, 77-112. https://doi.org/10.1007/s10648-019-09498-w.

Tafner, G. & Dreisiebner, G. (2019). Planspiel. In U. Fritz, K. Lauermann, M. Pächter, M. Stock & W. Weirer (Hrsg.), Kompetenzorientierter Unterricht. Theoretische Grundlagen – erprobte Praxisbeispiele (S. 133-150). Stuttgart: UTB.

Zitiervorschlag:

Scherzinger, L. (2020, April). Der Einsatz von Online-Planspielen und Online-Simulationen in den Gesellschaftswissenschaften. In Digitalisierung in der Lehrerbildung Tübingen (TüDiLB) (Hrsg.), Evidenzbasierte Hinweise zum Einsatz digitaler Medien im Lehr-Lernkontext.
Inhaltlich aktualisiert am 10.05.2020

Last edited: 7. Jul 2021, 14:35, [i.rudolf]