Burma: Völker unterm Joch

von Anja Smykowski

Von den Naturgewalten heimgesucht, erlebt Burma wieder einmal, wie grausam die Militär-Junta regiert. Wie früher bereits wird das Volk in seiner Not von der eigenen Regierung im Stich gelassen.

Zwischen Ernst und Hoffnung – junge burmesische Mönche. Foto: Ewa Lewicka
Zwischen Ernst und Hoffnung –
junge burmesische Mönche. Foto: Ewa Lewicka

Am 4. Mai wütete Zyklon Nargis über einem Land, das erst vor einigen Monaten auf sich aufmerksam gemacht hatte. Damals demonstrierten Mönche gegen die brutale Militärdiktatur, und die Welt warf einen kurzen Blick auf Burma. Heute kann man jedoch nicht mehr einfach wegschauen. Heute geht es nicht nur um Politik, Diktatur, Menschenrechtsverletzungen. Heute geht es ums nackte Überleben

Der Zyklon überflutete große Teile Burmas, ganze Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Auf den Straßen schwammen Baumstämme, Töpfe, Leichen. Es wurde von 100.000 Toten und 1,5 Million Notleidenden berichtet. Das Wasser ist verschmutzt, Nahrung gibt es kaum noch, Medizin ist wie immer Mangelware. Während die Menschen verhungern und verdursten, vermehren sich die Moskitos und mit ihnen die Zahl der Malariakranken. Ausbrüche von Cholera und Typhus werden befürchtet. Erst drei Wochen nach dem Unglück lässt das Regime ausländische Helfer ins Land. Das Militär hegte noch nie großes Interesse an den Bedürfnissen seines Volkes.

Dies stellte es bereits bei den studentischen Demonstrationen in Burma im Jahre 1988 unter Beweis. Die Studenten zogen los, um für eine bessere wirtschaftliche Lage und gegen Hunger und Leid zu kämpfen. Doch was danach passierte, war schlimmer als alles zuvor: Studenten und Oppositionelle wurden auf offener Straße willkürlich erschossen. Frauen wurden vergewaltigt und dann ermordet. Kinder wurden entführt, Häuser angezündet. Die Feuerwehr spülte das Blut von den Straßen, um die Spuren der Massaker wegzuwaschen. Mehrere tausend Menschen wurden damals ermordet. Über 8000 Studenten und Oppositionelle flohen in die Grenzgebiete, die Universitäten blieben geschlossen.

Dies alles war dem Militär zu verdanken, das seitdem blutig in Burma regiert. Das Land zwischen Indien, Thailand, Laos, Bangladesh und China wurde sogar umbenannt: von Burma in Myanmar. Ganz so, als könne man dadurch das Geschehene vergessen machen.


Kriegerische Vergangenheit

Man kann nicht behaupten, dass es in Burma jemals vollkommen friedlich zugegangen ist. Die Bevölkerung besteht aus 135 verschiedenen Völkern. Ein Teil davon lebt in Randstaaten, die ursprünglich nicht zu Burma gehörten, sondern nach gewaltsamen Eroberungen dem Land zugeschlagen wurden. Diese Völker unterscheiden sich in Sprache, Kultur und vor allem Religion. Die Burmesen in Zentralburma stellen mit der buddhistischen Religion die größte und auch die mächtigste Volksgruppe dar. Seit Jahrzehnten kämpfen die kleineren Völker in ihren Teilstaaten an den Außengrenzen des Landes um Autonomie und eine eigene Verwaltung, was oft blutig endete.

Auch unter der Herrschaft der Briten ging es nicht friedlich zu zwischen den unterschiedlichen burmesischen Staaten. Eine erste Hoffnung sah das Land in Aung Sans antikolonialer Bewegung. Er kämpfte nicht nur für ein freies Burma, sondern auch für ein vereintes. Dies gelang ihm, so schien es damals, mit dem „Abkommen von Panglong“ im Jahr 1947. Den Grenzstaaten wurde Autonomie zugesichert, alles sah nach einer friedlichen Lösung aus. Doch dann wurde Aung San von innenparteilichen Rivalen ermordet. Lange war das Land anschließend wieder hin und her gerissen. Unruhen und Aufstände führten zu einem erneuten Bürgerkrieg. 1962 wurde die Regierung schließlich durch einen Militärputsch zu Fall gebracht. Seitdem leidet die Bevölkerung unter einer brutalen Militärherrschaft.


Die Hoffnungsträgerin

Die Aufstände der Studenten im Jahre 1988 sollten diese eingefahrene Situation ändern. Mit der Hoffnung auf faire Wahlen kämpfte die Bevölkerung, geleitet von Aung Sans Tochter, Aung San Suu Kyi, bis 1990. Sie schaffte es, allen Völkern Burmas durch ihr demokratisches Denken Hoffnung zu geben. Ihre oppositionelle Partei gewann die Wahlen haushoch. Sogar in den Wohngebieten der Soldaten hatte sie eine Mehrheit. Doch die Militärführung weigerte sich, ihre Macht abzugeben und ließ Aung San Suu Kyi verhaften. Trotz der Möglichkeit, ins Exil zu gehen, blieb sie in Burma. Sie ließ sich immer wieder verhaften und unter Hausarrest stellen und musste von ihrer Familie getrennt leben. Doch hörte sie nie auf, für die Demokratie in ihrem Land zu kämpfen. 1991 wurde ihr dafür der Friedensnobelpreis verliehen.

Seitdem hat sich nicht viel geändert in Burma. Das Militär betreibt weiter seine Angstpolitik. Gegner, Oppositionelle, Studenten, aber auch einfache Bürger werden verhaftet, gefoltert und ermordet. Die Dörfer in den Grenzgebieten werden ausgebeutet, die Menschen müssen in Minen und Waffenfabriken Zwangsarbeit leisten. Frauen werden verschleppt und vergewaltigt, Kinder militärisch gedrillt. Besonders die Menschen in den Grenzstaaten Burmas leiden darunter.

Seit dem Aufstand von 1988 geht es auch mit der Wirtschaft bergab. Die Militärregierung betreibt korrupte Geschäfte mit dem Ausland, das Volk wird isoliert gehalten. Die Inflationsrate steigt stetig, und der Wert der einheimischen Währung sinkt jährlich um fast 50 Prozent. Die verschwenderische Lebensweise des Militärs und die Produktion von Waffen zehren das Staatsbudget auf, für soziale Wohlfahrt und Gesundheit bleibt weniger als ein Zehntel dessen übrig, was für Militär, Polizei und Geheimdienste ausgegeben wird.


Der Aufstand der Mönche

Die Bevölkerung Burmas setzt sich hauptsächlich aus Buddhisten zusammen. Ihr Glaube fördert eine friedliche Lebensweise, die Menschen lächeln gern. Mönche werden verehrt und als Söhne Buddhas angesehen. Sie können die Machenschaften des Militärs zwar nicht gut heißen, ihre Religion ist allerdings keine des Aufbegehrens.

Die Erhöhung der Öl- und Gaspreise durch die Militärregierung brachte jedoch das Fass zum Überlaufen. Am 5. September 2007 organisierten sich die buddhistischen Mönche zu einem friedlichen Aufstand gegen die Ausbeutung des Volkes durch das Militär. Ihre Forderung war einfach und bescheiden: genug Essen für alle.

Zum ersten Mal seit langer Zeit wurden Bilder in den Nachrichten der ganzen Welt gezeigt – Bilder aus einem Land, das kaum jemand kennt. Es waren keine schönen Bilder. Es waren Bilder von Mönchen, die mit dem Gesicht nach unten in rötlich gefärbtem Wasser trieben. Die Welt war erschüttert, die Burmesen über die Morde an ihren Geistlichen ebenfalls. So weit hatte sich das Militär noch nie vorgewagt. Klöster wurden gestürmt, die Mönche wurden misshandelt, zurück blieben blutige Kutten.

Die friedlichen Demonstranten wurden getötet oder verschleppt. Viele der Verschleppten starben während des Transports oder später im Gefängnis nach Folterungen. Das Militär gab auf Drängen des Auslands 13 Tote und ein paar Gefangene zu. Desertierte Soldaten berichteten jedoch von Hunderten von Toten und Gefangenen.


Die Angst regiert

Ende September wurde das Internet gekappt. Telefon und Briefwechsel wurden vom Militär strengstens kontrolliert und zensiert. Journalisten durften nicht arbeiten, egal aus welchem Land sie kamen. Sie werden bis heute ausgewiesen, auf schwarze Listen gesetzt, erschossen. Das Volk wird isoliert gehalten und überwacht. Wer als Dissident gilt, wird gefangen genommen – ohne Hoffnung auf Wiederkehr.

Der Junta-Chef General Than Shwe gab sich nach den Aufständen offen. Er hatte angeblich nichts zu verbergen und ließ die Flughäfen für Touristen wieder öffnen. Aber die Einreisenden wurden von zentralen Orten fern gehalten, und die Burmesen waren bereits zur Genüge eingeschüchtert, dass sie gegenüber Fremden keine Beschwerden äußerten. Eine polnische Touristin, die im November 2007 Burma besuchte, berichtete von einer ruhigen Stimmung. Das Militär war an den für Touristen erlaubten Orten kaum zu sehen. In der Hauptstadt Rangun waren nur noch ein paar übrig gebliebene Zäune Zeuge der Aufstände. „Die Menschen reden kaum über ihre politische Situation“, erzählte sie. „Wenn man sie danach fragt, sogar an einem sicheren Ort, dann weichen sie aus. Sie haben Angst.“

Nur ein junger Burmese, der in den USA aufgewachsen ist und nach einem Besuch seines Heimatlandes keine Ausreisebewilligung mehr bekommen hat, traute sich, mit ihr zu sprechen. Er berichtete von Dingen, die der Polin unglaublich erschienen, bis sie, wieder zu Hause angekommen, in Berichten und Reportagen, die der Zensur entronnen waren, seine Aussagen schwarz auf weiß las: Mord, Korruption, Quälerei, Verschleppung und Vergewaltigung sind in Burma an der Tagesordnung. „Ich habe diesem Mann anfangs kaum glauben können“, sagt sie. „Es klang wie in einem schrecklichen Traum.“ Ein Traum, der durch die Naturkatastrophe vollends zum Alptraum geworden ist.


Ein reiches Land

Burma ist an sich ein reiches Land, zumindest was seine Bodenschätze angeht. Das Militär macht große Geschäfte mit den Erdöl- und Erdgasvorkommen des Landes. Pipelines wurden in andere asiatische Länder verlegt. Da wundert es kaum, dass genau diese Staaten, etwa Thailand und China, nichts gegen die Politik der Militär-Machthaber unternehmen und keine Hilfestellung für das burmesische Volk leisten.

Doch auch Deutschland und andere europäische Länder halten die Wirtschaftssanktionen, die nach der blutigen Niederschlagung der Demonstrationen von 2007 verhängt wurden, nicht konsequent ein. Die weltberühmten burmesischen Rubine finden vor allem hier ihre Abnehmer. Was die Weltpolitik schon oft gezeigt hat, beweist sich auch in Burma: Solange ein Land von wirtschaftlichem Nutzen ist, mischt man sich lieber nicht ein. Jetzt aber, nach der Sturmkatastrophe, möchten viele Deutsche den Burmesen helfen – nur wie?


Wie kann man helfen?

Man kann als Einzelperson hauptsächlich zwei Dinge tun: An die eigene Regierung appellieren, im Fall Burma diplomatisch, aber vor allem ausdauernd vorzugehen. Und sich in Spendenorganisationen zu engagieren, bei denen eine Verbindung mit dem Militär ausgeschlossen werden kann. Die Ausrede „Ich helfe nicht, da die Burmesen die Hilfe ohnehin nicht wollen“ kann man nicht gelten lassen. Die Burmesen wollen und brauchen jegliche Hilfe, die sie kriegen können, das Militär verweigert diese nur oft. Daher sollten Spenden vor allem an Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ oder „Aktion Deutschland hilft“ gehen, da hier nachweislich direkte Hilfe an Notleidende geleistet wird und sich diese Organisationen bereits in burmesischem Katastrophengebiet befinden.

Die polnische Touristin appelliert jedoch auch an alle Burma-Reisenden, dass Land sobald wie möglich wieder zu besuchen und an Medikamenten mitzunehmen, was man tragen kann. Auch sie will ihrem eigenen Ratschlag bald folgen. „Niemand, der in Burma war, kann sich diesem Land entziehen“, sagt sie. Zwar ist sie erschüttert über die Gewalttaten und Verwüstungen, dennoch wird in ihrer Erinnerung Burma stets auch das Land der Pagoden und der lächelnden Menschen bleiben, in dem sie freundlich empfangen wurde. „Wer Burma kennt, wird immer wieder dorthin zurückkehren wollen“.
Vielleicht ist es wirklich so, wie der Schriftsteller Rudyard Kipling 1889 fasziniert beschrieb: “This is Burma, and it will be quite unlike any land you know about ...” Pfeil

Mehr Infos über Burma:


Staatsform

seit 1962 Militärdiktatur

Staatsoberhaupt

General Than Shwe

Bevölkerung

55 Mio. Einwohner, 135 Völker

Religion

89% Buddhismus, 4% Christentum, 4% Islam, 3% Stammesreligionen und andere

Export

Jade und Edelsteine, Erdöl/-gas, Teak-Holz, Opium

Flüchtlinge

ca. 540.000

Wichtige Daten

1948 Unabhängigkeit von Großbritannien
1988 Studentenaufstände
1990 Friedensnobelpreis für Demokratie-Anhängerin Aung San Suu Kyi
2007 Aufstände der buddhistischen Mönche
2008 Zyklon „Nargis“, 100.000 Tote, 1.5 Mio. heimatlos

Mehr Informationen und Spenden

- Deutsch-burmesische Gesellschaft

Dr. Harry Tun
Kaiserstraße 37
76646 Bruchsal

Telefon: (07251) 2780

- Aktion Deutschland hilft e.V.
- Ärzte ohne Grenzen e.V.

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