Krebs: Können wir uns schützen?

von Hanna Hartmann

Haut-, Brust- und Gebärmutterhalskrebs – nicht gerade die Themen, mit denen man sich gern beschäftigt, wenn man jung ist und mitten im Leben steht. Und doch rufen Kampagnen gerade auch junge Menschen zu Früherkennungs-Untersuchungen auf, bei denen diese Krebsarten rechtzeitig aufgespürt werden sollen. Einen zusätzlichen Schutz verspricht seit kurzem die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs. Doch für wen sind Früherkennung und Impfung sinnvoll? Gibt es dabei auch Risiken zu bedenken?

„Fit for Sun“, so hieß die Kampagne, mit der die Deutsche Krebsgesellschaft vor zwei Jahren sogar an die Schulen ging. Geworben wurde für die Früherkennung von Hautkrebs. Jugendliche und junge Erwachsene gelten nun einmal als besonders sonnenhungrig – und übermäßige Sonnenbestrahlung ist der Hauptrisikofaktor für diese tückische Krankheit


Sonnenschirm
Können wir uns vor Krebs schützen?
Quelle: www.pixelquelle.de

Und sie ist häufig: In Deutschland erkranken jährlich rund 11.400 Menschen an Hautkrebs, und jeder fünfte stirbt daran. Besonders gefährlich ist der relativ selten auftretende schwarze Hautkrebs, von Ärzten als malignes Melanom bezeichnet. Melanome können recht schnell in tiefere Hautschichten einwachsen und metastasieren, das heißt sich im Körper ausbreiten, wodurch die Heilungschancen sinken.

Das Risiko für Hautkrebs wächst mit der UV-Dosis, der man sich aussetzt, und steigt vermutlich besonders durch einen abrupten Wechsel zwischen wenig und viel Sonnenbestrahlung. Für die Entstehung von Hautkrebs ist der individuelle Hauttyp von großem Einfluss: Blonde oder rothaarige Menschen mit heller Haut sind zwei- bis dreimal anfälliger für Melanome als dunkelhaarige Menschen mit leicht bräunender Haut. Zusätzlich erhöht die Zahl der Leberflecke und Muttermale das Risiko, dass sich einer der Flecken zu einem Melanom entwickelt.

Veränderungen der Haut sollen erkannt werden

Die Früherkennung von Hautkrebs erfolgt über eine optische Kontrolle der gesamten Hautoberfläche, einschließlich der Übergänge zu Schleimhäuten und der Kopfhaut. Als verdächtig gelten vor allem Veränderungen wie Rötung, Jucken oder gar Bluten von Pigmentmalen, ebenso wie Größenzunahme oder unregelmäßige Formen.

Zur Früherkennung von Hautkrebs gibt es drei Verfahren: die Selbstkontrolle der Haut, der Hautcheck durch einen Allgemeinarzt und der Hautcheck durch einen Hautarzt. Selbstkontrolle klingt am einfachsten. Doch ist die Unterscheidung zwischen Krebs und gutartigen Pigmentmalen ist für den Laien nicht gerade leicht. In Deutschland geht daher fast jeder fünfte Bürger über 14 regelmäßig alle ein bis zwei Jahre zur ärztlichen Hautkrebskontrolle, so eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Freiöl-Instituts. Die Kosten zur jährlichen Hautkrebsfrüherkennung tragen bei Frauen ab 30 und Männern ab 45 Jahren die Krankenkassen, wenn die Untersuchung von einem Allgemeinarzt, Urologen oder Frauenarzt durchgeführt wird.

Hat Hautkrebsfrüherkennung Risiken?

Eine Kontrolle durch den Hautarzt wird jedoch von den meisten Krankenkassen nicht übernommen – obwohl sie doch die Spezialisten für Hautkrankheiten sind. Das Ratgeberbuch Untersuchungen zur Früherkennung der Stiftung Warentest schätzt jedenfalls die Hautkontrolle durch den Allgemeinarzt aufgrund zahlreicher Fehlalarme als schlechter ein als die Treffsicherheit der Dermatologen.

Ein Fehlalarm bei der Früherkennung stellt einen der Risikofaktoren dar, auf die der Biologe und Wissenschaftsjournalist Dr. Christian Weymayr in seinem Buch Mythos Krebsvorsorge aufmerksam macht. „Solche möglichen Schäden der Früherkennung werden meistens ausgeblendet und der Nutzen etlicher Methoden überbewertet“, so die Meinung des Tübingers. Eine unnötige operative Entnahme von Gewebe bedeutet einen Schaden für den Patienten. Auch die Behandlung von kleinen Tumoren, die nie zu einem Problem für den Patienten geworden wären, stellen ein unnötiges Risiko für den Patienten dar. Dennoch schätzt Weymayr den Nutzen der Hautkrebsfrüherkennung größer ein als das Risiko, da mögliche Hauttumore schon durch kleine Operationen unter örtlicher Betäubung entfernt werden können.

Früherkennung von Brustkrebs soll Leben retten

Eine größere Operation und das Entfernen angrenzender Lymphknoten kann dagegen bei Brustkrebs notwendig sein, einer Erkrankung, die spätestens seit den prominenten Fällen der Sängerinnen Kylie Minogue, Sheryl Crow und Anastacia auch jungen Menschen ins Bewusstsein gerückt ist. In Deutschland ist Brustkrebs mit 47.500 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Mit knapp 17.800 Todesfällen liegt diese Krankheit auch an der Spitze der Krebstodesursachen.

Es gibt verschiedene Risikofaktoren für Brustkrebs wie die Belastung im Familienkreis, das Alter der Frau, Anzahl und Zeitpunkt von Schwangerschaften und der Hormonspiegel. Eine Krebsvorsorge ist hier kaum möglich, doch Ärzte hoffen darauf, früh erkannten Krebs besser heilen zu können. Daher gibt es kaum ein Krebsleiden, für das so ausdrücklich zur Früherkennung aufgerufen wird, wie für Brustkrebs. Experten raten bereits ab einem Alter von 20 Jahren zum monatlichen Selbstabtasten der Brust.


schematisch: Abtasten der Brust
Selbstkontrolle: Abtasten der Brust.
Quelle: Deutsche Krebshilfe eV

Was bringt die Selbstkontrolle?

Ganz einfach ist das Tasten, Streichen und Vergleichen aber nicht. Natürliche Veränderungen der Brust durch Hormon- und Gewichtsschwankungen oder sich ändernde Sportgewohnheiten der Frau erschweren die Suche nach Veränderungen des Gewebes. So handelt es sich nur bei einer Minderheit der beim Selbstabtasten gefundenen Knoten wirklich um Krebs.

Viele Frauen sind daher verunsichert und im Selbsttest schlichtweg überfordert. Für Weymayr stellen Kampagnen zum Selbstabtasten eine Art der Panikmache dar, da es bisher keinen wissenschaftlichen Beleg des Nutzens gibt. Dabei verweist er auf eine Erprobung des Selbstabtastens, die Ende der 1980er-Jahre unter Beteiligung von 260.000 Frauen in China stattfand. Dabei sollte sich die Hälfte der Frauen einmal im Monat nach ärztlicher Anleitung selbst abtasten, die andere Hälfte bekam keine besonderen Ratschläge. Innerhalb von 11 Jahren starben dennoch in beiden Gruppen gleich viele Frauen an Brustkrebs. Der einzige Unterschied lag darin, dass die Frauen der Abtast-Gruppe häufiger unnötige Untersuchungen und Eingriffe über sich ergehen ließen.

Im Rahmen des Krebsfrüherkennungsprogramms der gesetzlichen Krankenversicherungen wird für Frauen ab dem 30. Lebensjahr als weitere Möglichkeit der Brustkrebs-Früherkennung die jährliche Tastuntersuchung der Brust und der dazugehörigen Lymphknoten durch den Arzt angeboten. Doch auch diese Untersuchung übersieht relativ viele Tumore, und das Risiko wegen harmloser Veränderungen weitere Untersuchungen machen zu müssen, ist ebenfalls recht groß. Die Mammographie, also die Röntgenuntersuchung der Brust, ist erst ab den Wechseljahren sinnvoll, da vorher das Drüsengewebe für diese Untersuchung zu dicht ist. Die Mammographie wird daher erst ab einem Alter von 50 Jahren empfohlen.

Gebärmutterhalskrebs wird von übertragbaren Viren ausgelöst

Die Früherkennungsuntersuchung von Gebärmutterhalskrebs wird dagegen bereits Frauen ab 20 Jahren nahegelegt. Gebärmutterhalskrebs tritt in Deutschland mit jährlich 6.600 Fällen viel seltener auf als Brustkrebs. Krankheitsauslöser sind bestimmte Warzenviren, sogenannte humane Papillomaviren (HPV), die durch Geschlechtsverkehr übertragen werden und sich in der Schleimhaut des Muttermunds vermehren.

Bereits 1842 wurde der italienische Arzt Domenico Antonio Rigoni-Stern auf den Zusammenhang zwischen Geschlechtsverkehr und Gebärmutterhalskrebs aufmerksam, weil Nonnen, die zölibatär leben, fast nie an Gebärmutterhalskrebs sterben. Nach epidemiologischen Daten, die Laura Koutsky von der Epidemiologie-Abteilung der Universität von Washington in Seattle 1997 veröffentlichte, infizieren sich dagegen 70 bis 80 Prozent aller sexuell aktiven Frauen im Laufe ihres Lebens mit den krankheitserregenden Papillomaviren. In 98 Prozent der Fälle wird das Virus erfolgreich vom Immunsystem bekämpft.

Doch anders als bei Kinderkrankheiten bildet der Körper zu wenig Antikörper, um eine Zweitinfektion abzuwehren. Das bedeutet, dass viele Frauen mehrfach eine Infektion mit Papillomaviren durchmachen, auch wenn sie es nicht bemerken. Bestimmte Virusvarianten können sich jedoch dauerhaft festsetzen und zu krankhaften Veränderungen der Wirtszellen führen, bis schließlich ein Krebs entsteht.

Wie funktioniert der Pap-Test?

Frauen, die zum Gynäkologen gehen, nehmen ab einem Alter von 20 Jahren routinemäßig an der Früherkennung für Gebärmutterhalskrebs teil. Dabei wird außerhalb und innerhalb des Muttermunds ein Abstrich gemacht, der mikroskopisch auf entartete Zellen untersucht wird. Das Testverfahren wird nach seinem Erfinder George Nicolas Papanicolaou als Pap-Test bezeichnet und ist bereits seit Jahrzehnten in allen Industrieländern die Standardmethode zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs.


Christian Weymayr
Biologe und Wissenschafts-journalist Dr. Christian Weymayr, Autor des Buches "Mythos Krebsvorsorge".
Foto: T. Anstatt

US-Experten schätzen, dass ein einmaliger Pap-Test nur etwa die Hälfte der verdächtigen Schleimhautveränderungen bemerkt. Die Trefferrate soll in Deutschland dadurch erhöht werden, dass der Pap-Test jedes Jahr und nicht wie in England, Schweden oder Frankreich nur alle drei bis fünf Jahre durchgeführt wird. Durch die häufige Wiederholung des Tests erhöht sich in Deutschland aber auch die Zahl der Fehlalarme. Nach Daten der Stiftung Warentest kommen auf eine korrekt erkannte Schleimhautveränderung etwa drei falsche Verdachtsbefunde. Fehlalarme bedeuten wiederum psychische Belastung und Schaden für die Patienten.

„Selbst wenn sich – im Optimalfall – schon beim nächsten Pap-Test nach einigen Monaten herausstellt, dass sich das Aussehen der Zellen wieder normalisiert hat, kann die Zeit des Wartens zur Tortur werden“, gibt Weymayr in seinem Buch zu bedenken. „Frauen erleben in dieser Zeit mitunter enormen Stress, weil sie sich fragen, ob sie Krebs haben oder nicht.“

Erstmals kann gegen Krebs geimpft werden

Spritze
Erstmals kann gegen Gebärmutterhalskrebs geimpft werden.

Seit Oktober 2006 gibt es eine große Neuerung auf dem Gebiet des Gebärmutterhalskrebses: In Deutschland ist nun der gentechnisch hergestellte Impfstoff Gardasil“ von Sanofi Pasteur MSD/Merck zugelassen, der gegen 70% aller HPV-Infektionen schützt. Dieser Impfstoff wurde an 25.000 Frauen aus 33 Ländern im Alter von 18 bis 25 Jahren auf seine Wirksamkeit getestet. Innerhalb von 4,5 Jahren infizierte sich keine der geimpften Frauen mit humanen Papillomaviren und es konnte auch bei keiner ein Anzeichen für entstehenden Gebärmutterhalskrebs festgestellt werden.

Derzeit müssen Frauen, die sich gegen HPV impfen lassen wollen, die Kosten in Höhe von 465 Euro meist selbst tragen, da erst wenige Krankenkassen diesen Betrag übernehmen. Doch die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut prüft bereits, ob eine Impfempfehlung ausgesprochen werden soll, nach der üblicherweise alle Kassen die Leistung bezahlen – und ob diese dann nur für Minderjährige vor dem ersten Geschlechtsverkehr oder für alle Frauen gelten soll.

Besonders schnell gehandelt wurde in Österreich; dort wurde die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs bereits in das nationale Impfprogramm aufgenommen. Im US-Bundesstaat Michigan wurde sogar ein Gesetz erlassen, dem zufolge alle Sechstklässlerinnen gegen HPV immunisiert werden sollen. Auch die australische Regierung hat den HPV-Impfstoff in das nationale Impfprogramm aufgenommen und will Schülerinnen im Alter von zwölf bis dreizehn Jahren impfen lassen. Es bleibt abzuwarten, ob es eine solche Impfung bald auch an deutschen Schulen gibt.

Abzuwarten bleibt auch, ob der jährliche Pap-Test bei geimpften Personen unvermindert durchgeführt wird, wie dies Gynäkologen fordern. Oder ob sich die Ansicht von Dr. Weymayr durchsetzt, der sich aufgrund der vielen Fehlalarme gegen eine Untersuchung von Personen ausspricht, die bereits über einen 70-prozentigen Impfschutz verfügen.

Soll ich nun zur Früherkennung – oder nicht?

Zusammenfassend kann die Frage ob eine Früherkennung von Haut-, Brust- und Gebärmutterhalskrebs ihrem Ziel gerecht wird und die Überlebensrate erhöht, leider nicht eindeutig bejaht werden. In jedem Fall bergen die Untersuchungen neben dem möglichen Nutzen auch gewisse Risiken, derer sich jeder bewusst sein sollte.

Christian Weymayr und sein Mitautor Klaus Koch bringen es im Vorwort ihres Buchs auf den Punkt: „Der Preis der Früherkennung ist, dass sie eine erhebliche Zahl an Teilnehmern in Lebenskrisen stürzt, die sie ohne Früherkennung nie gehabt hätten. Wer nicht zur Früherkennung geht, lässt vielleicht eine Chance aus, das eigene Leben zu verlängern.“ So muss letztendlich jeder für sich selbst entscheiden und Nutzen und Risiken einer Früherkennung für sich abwägen. Es wäre schön, wenn Impfungen, wie die gegen Gebärmutterhalskrebs, in Zukunft von dieser Entscheidungsnot befreien würden. Pfeil



Weitere Infos:

Was ist Krebs? Was ist Vorsorge? Was ist Früherkennung?

Krebs entsteht aus einer einzigen entarteten Zelle und kann doch irgendwann den ganzen Körper befallen. In Deutschland geht jeder vierte Todesfall auf einen Tumor zurück. Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen sollen helfen die Zahl der Krebstoten zu senken. Ziel der Krebsvorsorge ist es, einen Krebs gar nicht erst entstehen zu lassen. Eine der wichtigsten Vorsorge-Maßnahmen ist, nicht zu rauchen. Die Früherkennung soll dagegen helfen, einen bereits bestehenden Krebs zu finden, solange er noch heilbar ist.

Literatur:
Klaus Koch. Stiftung Warentest: Krebs - Untersuchung zur Früherkennung, Nutzen und Risiken. Berlin 2005.
Christian Weymayr und Klaus Koch. Mythos Krebsvorsorge: Schaden und Nutzen der Früherkennung. Frankfurt a.M.: Eichborn Verlag, 2003.

Nützliche Links:
Deutsche Krebshilfe e.V.
Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg zum Thema HPV-Impfung.

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