Frau und Technik – es geht doch!

von Sarah Adler

Bis vor ein paar Jahren wurden Frauen belächelt, wenn Sie einen „Männerberuf“ ergreifen wollten, viele versuchten es erst gar nicht. Dabei sind technische Berufe ein Markt der Zukunft, nicht zuletzt wegen des drohenden Fachkräftemangels. Immer mehr Frauen und auch Unternehmen scheinen dies wahrzunehmen. Und wenn sich auch die Zahlen in den Statistiken noch nicht stark geändert haben, die Stimmung unter den technisch interessierten Frauen hat sich aufgehellt. „Solange man die Arbeit gut macht, spielt das Geschlecht keine Rolle“, so bringt es eine Maschinenbau-Ingenieurin auf den Punkt.

Frauen sind vor allem an sozialen Berufen interessiert, Männer eher an technischen. Dieses Bild entspricht immer noch weitgehend der Wahrheit. Obwohl inzwischen gut 46 Prozent der Hochschulabsolventen Frauen sind, liegt der Frauenanteil in den technischen Berufen nur bei zehn Prozent.

Befürchtungen und Vorurteile, die mit der Ergreifung von Männerberufen einhergehen, gibt es immer noch, allerdings lange nicht mehr in dem Umfang wie noch vor zehn Jahren. Allgemein befürchten Frauen, dass sie weniger ernst genommen werden als ihre männlichen Kollegen. Manches Mädchen hat im Laufe seiner Schulzeit einen Mathelehrer kennen gelernt, dessen Einstellung sich in folgendem Spruch zusammenfassen lässt: „Ich erkläre alles dreimal. Einmal für die Guten, ein zweites Mal für die Schlechten und ein drittes Mal für die Frauen.“ Sollte eine es doch beim ersten Mal verstanden haben, gilt sie als nicht ernstzunehmende Ausnahme und es wird doppelt nachgehakt. „Ich habe eine Aufgabe in Informatik als Drittschnellste der Klasse gelöst und mein Lehrer meinte dazu nur: ‚Wenn es die Jessica raus hat, war die Aufgabe doch zu einfach.’“, erzählt die Physikstudentin Jessica Denk* aus München empört.

Zange, Foto: Peter
Foto: Peter
Ähnliches berichtet auch Melanie Lang*, Diplom-Ingenieurin aus Würzburg, von ihrer Studienzeit: „Im Elektroniklabor ist der Assistent nie von meiner Seite gewichen und hat mich ständig genervt mit Sprüchen wie ‚Sind Sie wirklich sicher, dass das richtig ist?’ und ‚Wenn es raucht, sind Sie schuld’. Und das, obwohl bei mir normalerweise alles funktioniert und es oft am Tisch neben mir gequalmt und gestunken hat.“

Außerdem beanstanden Frauen das Fehlen von Vorbildern. Den Studien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nach, waren im Jahr 2005 gerade einmal zehn von 100 beschäftigten Ingenieuren Frauen. Dabei studierte Ilse Knot-ter Meer bereits von 1919 bis 1924 an der Technischen Hochschule Hannover Maschinenbau und wurde die erste Diplom-Ingenieurin Deutschlands. Sie trat 1925 dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) bei und gründete in den 60er Jahren zusammen mit fünf anderen Frauen den VDI-Ausschuss „Frauen im Ingenieurberuf“. Doch Frauen wie sie sind immer noch zu selten, um für die Töchtergeneration sichtbar zu sein.

Das gilt selbst für die neuen Bundesländer: In der DDR waren Frauen zwar schon früher als im Westen in technischen Berufen anzutreffen. 1982 betrug der Anteil weiblicher Immatrikulierten im Fach Maschinenbau 21 Prozent. Heutzutage haben sich die Zahlen im Osten denen des Westens angeglichen. So studierten im Jahr 2000 nur noch 13 Prozent Maschinenbau.

Ein dritter Grund sind die Gehaltsunterschiede. Frauen befürchten, dass sie beim Gehalt benachteiligt werden. Der VDI hat ermittelt, dass das stimmt. Ingenieurinnen verdienen im Schnitt 21 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, im europäischen Durchschnitt liegt der Unterschied nur bei 16 Prozent. Dafür steigt aber die Zahl gut verdienender Frauen stärker als die von Männern. Zwischen 2001 und 2003 stieg unter den Ingenieurinnen der Anteil mit einem Jahresgehalt von über 50.000 € von acht Prozent auf 22 Prozent, während bei den Männern der Anteil derjenigen, die so viel verdienen, bei 34 Prozent stagnierte.

Für die verbleibenden Gehaltsunterschiede werden vor allem Kinder und unflexible Arbeitszeiten verantwortlich gemacht. Dabei kann man auch dies mit ein bisschen Zeitmanagement vereinen. Anke Bielefeld*, Steinmetzin und frischgebackene Mutter, erzählt: „Mein Mann ist gerade arbeitslos. Jeden Mittag kommt er mit meinem Sohn, damit ich ihm die Brust geben kann. Mein Chef hat dafür vollstes Verständnis und erlaubt mir sogar, zwei Stunden Mittag zu machen.“

Geschlechtsspezifische Unterschiede in technischen Berufen wurden an der TU Darmstadt erforscht. Die Ergebnisse kann man in einer Broschüre des Bildungsministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nachlesen. Für Frauen in technischen Berufen gilt demnach: Aber die Unternehmen fangen an umzudenken – zumindest was die Nachwuchsförderung angeht. Im Jahr 2001 startete in Deutschland erstmals der „Girls´ Day“. An diesem Tag öffnen technische Unternehmen, Hochschulen und Forschungszentren ihre Türen für Schülerinnen der Klasse fünf bis zehn. Sie können so einen Einblick in die „Männerdomäne“ erhalten, erste Kontakte zu möglichen Arbeitgebern knüpfen – und manche entscheiden sich dann auch tatsächlich für einen technischen Beruf.

Die Kampagne stößt auf rege Nachfrage. 2002 nutzten 42.500 Mädchen diese Chance, letztes Jahr waren es schon 120.000. Auch die Zahl der teilnehmenden Unternehmen steigt kontinuierlich: von anfangs 39 zu mittlerweile knapp 7000. Aber es muss nicht nur für mehr Nachwuchs gesorgt werden, auch bereits Studierende und Berufstätige benötigen dringend weitere Unterstützung.

Besser als erwartet ist die Stimmung unter Studentinnen. Sandra Maier* hatte schon früh Interesse am Zeichnen. Sie absolvierte zunächst eine Lehre als technische Zeichnerin. Als sie IHK-Beste ihres Jahrgangs wurde und sie ein Stipendium bekam, entschloss sie sich, an der Fachhochschule Aalen Maschinenbau zu studieren. „Es war absehbar, dass Ingenieure gebraucht werden, deswegen habe ich angefangen zu studieren. Ansonsten weiß ich nicht, ob ich meinen sicheren Job aufgegeben hätte.“

Sandra Maier erzählt aus ihrer Studentenzeit: „Wir waren zwar nur zwei Mädchen in unserem Studienjahr, aber das hatte auch seine Vorteile. Der Professor kannte unsere Namen als erstes. Die Jungs hat er öfters mal verwechselt.“ Sie berichtet weiter, dass sie gut aufgenommen wurde und keinerlei Probleme mit zweifelnden Professoren hatte: „Solange man die Arbeit gut macht, spielt es keine Rolle, welches Geschlecht man hat.“

Mittlerweile arbeitet Maier wieder in ihrer alten Firma, einem führenden Unternehmen in der Herstellung von Antriebsachsen und Verteilergetrieben für schwere Mobilfahrzeuge. Auf die Frage hin, ob sie denn auch einen neuen Arbeitsbereich betreut, sagt sie: „Natürlich, sonst hätte ich da gar nicht mehr angefangen.“ Sie hat sich bei ihren männlichen Kollegen nach dem Gehalt erkundigt und kann stolz vermelden, dass sie das gleiche verdient wie ein durchschnittlicher männlicher Berufsanfänger. Eine Zahl wollte sie aber nicht nennen.

Lisa Knaur*, derzeit Studentin der Fahrzeugtechnik an der Universität Stuttgart, hatte auch schon immer eine Leidenschaft für Mathematik und Geometrie. Deswegen entschloss auch sie sich, Ingenieurswesen zu studieren. Zu Anfang hatte sie mit starkem Widerstand aus der Familie zu kämpfen: „Mein Vater war überhaupt nicht begeistert. Der ist selber Ingenieur und fest davon überzeugt, dass ich es als Frau schwer haben werde. Bis jetzt habe ich davon aber nicht viel gemerkt.“

Auf die Frage hin, ob sie sich manchmal fehl am Platz fühlt, lacht sie. „Die einzige Zeit, in der ich das Gefühl habe, in einer verkehrten Welt zu leben, ist nach den Klausuren. Dann ist vor dem Männerklo eine riesige Schlange, das Damenklo habe ich aber fast für mich alleine. Ich muss es mir nur mit den Männern teilen, die es gar nicht mehr aushalten können.“ Dann aber erzählt sie, dass sie einiges an Wissen aufholen musste. „Die meisten Männer haben schon mit ‚An-Autos-Schrauben’ zu tun – haben über Freunde Erfahrungen sammeln können oder in der Jugend am Mofa herumgebastelt. Das fehlt mir halt.“

Auch in ihrem Vorpraktikum hat sie sich schwerer getan als die Jungs: „Wir mussten vier von sechs Wochen Metall feilen. Da hatten die Jungs einen klaren Kräftevorteil.“ Dann fügt sie hinzu: „Aber dafür haben wir später ja Maschinen.“ Im Hauptstudium möchte sie ihren Schwerpunkt auf Motoren setzen – „das machen eigentlich alle“ – und auf Design. Wieder lacht sie: „Da kommt halt doch die Frau in mir raus.“

Was die Vereinbarung von Beruf und Familie geht, sind beide noch nicht zufrieden. Sandra Maier will vorerst keine Kinder, bis sie ihre Position im Unternehmen so weit gefestigt hat, dass sie trotz Mutterschutz dahin zurückkehren kann. Auch Lisa Knaur ist sich noch nicht sicher, wie sie diese schwierige Aufgabe nach dem Studium bewältigen soll. Es spricht auch für sich, dass beide es abgelehnt haben, mit Foto und ihrem richtigen Namen veröffentlicht zu werden.

Die Bildungs-, die Arbeits- und die Lebenskultur müssen also noch besser auf Frauen abgestimmt werden. Hochschulen, Unternehmen, Bund und Länder müssen sich noch mehr darum bemühen, dass das Geschlecht in Zukunft kaum noch Auswirkungen auf den Erfolg und die Zufriedenheit von Beschäftigten in technischen Berufen hat. Pfeil

*Namen wurden von der Redaktion geändert.

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