Globale Umweltpolitik – Die Lösung zur
Rettung der Welt?
von Julia Siebert
Es vergeht kein Tag, an dem in den Medien nicht von neuen
Umweltgefahren die Rede ist. „Wir rasen in die
Klimahölle“, warnt Greenpeace,
„Klima-Horror – Der Mensch ist schuld wenn unsere
Erde stirbt“, schockt die Bildzeitung,
„UNO-Experten sagen Horror-Klima voraus“, titelt
auch der Spiegel. Düster hören sich die Prognosen an,
beunruhigend und bedrohlich. Doch was ist dran an diesen Warnungen? Ist
es tatsächlich schon 5 vor 12? Hier finden Sie Antworten auf
die zehn wichtigsten Fragen zur globalen Umweltpolitik.
1. Welches ist das wichtigste globale Umweltproblem?
Das dringendste Umweltproblem ist die globale
Erwärmung. Zwar war das Weltklima auch in der Vergangenheit
immer wieder von extremen Schwankungen geprägt, man denke nur
an die Eiszeiten. Durch den menschlichen Einfluss kommt es jedoch nun
zu einer unverhältnismäßigen
Erwärmung, die nicht mehr das Ergebnis natürlicher
Prozesse ist. Vielmehr lässt sie sich auf die Freisetzung
klimawirksamer Gase zurückführen, die den
Treibhauseffekt unnatürlich verstärken.
Der Treibhauseffekt ist zunächst ein natürlicher
Mechanismus zur Steuerung des Strahlungshaushalts, der für das
Leben auf der Erde von großer Bedeutung ist: Die von der
Sonne kommende kurzwellige Strahlung kann die Atmosphäre
nahezu ungehindert durchdringen. Sie wird von der
Erdoberfläche absorbiert und als langwellige
Wärmestrahlung wieder in die Atmosphäre abgegeben.
Hier kommen die Treibhausgase wie z.B. Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid
(CO2) oder Methan ins Spiel: Sie absorbieren einen Teil der
langwelligen Strahlung und tragen damit zu einer zusätzlichen
Erwärmung der Erdatmosphäre bei.
Ohne diesen natürlichen Treibhauseffekt würde auf der
Erde eine durchschnittliche Temperatur von -18 Grad Celsius herrschen.
An Lebensformen, wie wir sie kennen, wäre nicht zu denken. Die
natürliche Konzentration der Treibhausgase ist relativ
konstant. Sie ergibt sich zum Beispiel bei CO2 aus einem Kreislauf, bei
dem lebende Pflanzen das Gas durch Photosynthese verbrauchen und
verrottende Pflanzen das CO2 wieder frei setzen. Im Laufe der
Erdgeschichte wurden viele Pflanzenteile in Form von Kohle,
Erdöl oder Erdgas in die Bodenschichten eingelagert, wodurch
das CO2 dem Kreislauf erst einmal entzogen wurde.
Seit einigen Jahrzehnten bringt der Mensch dieses empfindliche
Gleichgewicht ins Wanken. Dies geschieht durch Brandrodung oder durch
die Verbrennung von fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdgas
und Erdöl, wobei CO2 freigesetzt wird. Die Folgen liegen auf
der Hand: Durch die zusätzliche Produktion von CO2 und anderen
Treibhausgasen wird der natürliche Effekt verstärkt;
die Erdoberfläche erwärmt sich.
2. Was sind die Folgen globaler Erwärmung?
Das internationale Wissenschaftsforum der UN, das Intergovernmental
Panel on Climate Change (IPCC), hat in seinem vierten
Statusbericht 2007 Berechnungen publiziert, denen zufolge sich die
globale Durchschnittstemperatur bis 2100 aufgrund menschlicher
Aktivitäten um 2,0 bis 4,5 Grad Celsius erhöhen wird.
In Deutschland ist mit 3,5 Grad Erwärmung zu rechnen. Nur eine
kleine Schwankung? Eine Erwärmung von nur 4 Grad im
Jahresdurchschnitt trennt uns von der letzten Eiszeit. Damals war
Europa von einer dicken Eisschicht bedeckt.
Die gravierendsten Folgen die der Temperaturanstieg mit sich bringt,
sind Wetterextreme, Artensterben und schmelzende Gletscher. Die
Auswirkungen der Wetterextreme werden für die einzelnen
Länder sehr unterschiedlich ausfallen. Insgesamt droht es die
ärmsten Regionen der Welt am schlimmsten zu treffen. Afrika
wird mit zunehmender Dürre und Wüstenbildung zu
kämpfen haben, aber auch die Bewohner der australischen
Metropole Sydney werden sich bald schon mit ersten
Trinkwasser-Rationierungen arrangieren müssen. Neben extremer
Trockenheit wird die Gefahr von schweren Wirbelstürmen und
Unwettern, verbunden mit starken Überschwemmungen, drastisch
zunehmen. So hat sich die Zahl der Hurrikane in den letzten 30 Jahren
verdoppelt. Auch Mitteleuropa ist sturmgefährdet.
Asteroideneinschläge, Vulkanausbrüche, abrupte Klima-
und Atmosphärenveränderungen, Sonnenstürme:
Das waren vermutlich die Ursachen für die letzten
fünf großen Massensterben in der Erdgeschichte. Laut
einem Bericht der Vereinten Nationen steht uns das
größte Artensterben jedoch noch bevor. Die Ursache:
Der Mensch. Durch seine Eingriffe in die Natur ist die Geschwindigkeit
des Artensterbens 1000 Mal höher als durch den
natürlichen Gang der Evolution. Bis zu einer Million Arten
könnten bis 2050 daran gescheitert sein, sich den schnellen
Klima-Veränderungen rechtzeitig anzupassen.
Die größte Gefahr für den Menschen
könnten die schmelzenden Gletscher darstellen. Die Gletscher
schrumpfen Jahr für Jahr erheblich und könnten schon
bald verschwunden sein. Und das werden wir merken: Denn die
Schmelzwasser liefern im Fall der Himalaya-Gletscher jährlich
das Trinkwasser für über ein Drittel der
Weltbevölkerung. Auch im Falle des Rheingletschers sind es die
Schmelzwasser, die die Schifffahrt auf dem Fluss überhaupt
erst möglich machen.
Der größte Teil der Gletscher liegt als dicke
Eisschicht auf dem Festland. Wenn sie schmelzen, ist mit einem Anstieg
des Meeresspiegels um mehrere Meter zu rechnen. Das ist nicht nur
für Küstenstädte wie New York, Hamburg oder
London alarmierend. Geschätzte 100 Millionen Menschen leben in
bedrohten Gebieten. Die meisten Pazifischen Inseln, aber auch Sylt,
wären nach neuesten Schätzungen kaum mehr zu halten.
„Das wäre unter solchen Bedingungen zu teuer und
unsinnig“ meint Hans Joachim Schellnhuber, Klimaberater der
Bundesregierung.
Nicht zuletzt können die Süßwassermassen
der tauenden Gletscher und Polkappen in Verbindung mit der allgemeinen
Erwärmung die empfindlichen Strömungssysteme der
Weltmeere durcheinander bringen. Im Falle des Golfstroms, der das
westeuropäische Klima auf so entscheidende Weise bestimmt,
werden in Forschungsergebnissen des Max-Planck-Instituts für
Meteorologie in Hamburg Werte um 30 Prozent für die
Abschwächung genannt. Norwegen müsste sich dann auf
eine Wirtschaft ohne eisfreie Häfen einstellen.
3. Wie viel Zeit bleibt uns noch?
Ernteausfälle und Dürrefeuer in
Südeuropa, schwere Wirbelstürme in Mittelamerika,
Versauerung der Meere, ertrinkende Eisbären in der Arktis. Mit
diesen Schlagzeilen überbieten sich die Medien gegenseitig.
Wann gerät das Ökosystem Erde aus dem Gleichgewicht?
Gibt es einen Emissionswert für die Treibhausgase, den die
Menschheit gerade noch verkraftet? Ist es möglich, die
Katastrophe abzuwenden?
Was bislang fehlt, ist eine klare Grenze, ab der die Existenz des
Menschen von der Erderwärmung direkt bedroht ist. Die
Pessimisten unter den Forschern gehen davon aus, dass sich der Prozess
selbst katalysiert, seine Geschwindigkeit also stetig wächst.
Schuld daran sind Rückkopplungseffekte, beispielsweise bei der
Erwärmung der Meere: Durch die schmelzenden Eismassen
entstehen immer mehr offene, dunkle Wasserflächen, die das
einstrahlende Sonnenlicht stärker absorbieren als das helle,
reflektierende Eis. Dadurch erwärmt sich das Meer wesentlich
schneller, wodurch neue Eismassen abtauen.
Einen weiteren Rückkopplungseffekt könnte das
Auftauen der Permafrostböden auslösen. Das sind
Böden, die seit der letzten Eiszeit bis in große
Tiefen gefroren sind und nur in den Sommermonaten an der
Oberfläche auftauen. Während der warmen Monate taut
ihre oberste Schicht auf und ermöglicht angepassten Pflanzen
eine kurze Wachstumsphase. Infolge der niedrigen Temperaturen wird das
abgestorbene pflanzliche Material jedoch nicht vollständig
wieder abgebaut, sondern sinkt langsam in die Permafrostschicht ein und
kann – ähnlich wie in einem Hochmoor - über
Jahrtausende konserviert werden. Wenn diese Böden infolge der
Erwärmung auftauen, wird das angehäufte organische
Material zersetzt. Dabei werden riesige Mengen der Treibhausgase
Kohlenstoffdioxid und Methan in die Atmosphäre freigesetzt.
Niemand weiß, welche Gasmengen in Dauerfrostböden
gespeichert sind. Schätzungen gehen von 450 Millionen Tonnen
aus.
„Das Zeitfenster, in dem wir etwas unternehmen
können, wird immer kleiner“, meint Klimaberater Hans
Joachim Schellnhuber. „Wir haben höchstens noch 15
Jahre Zeit, um die Auswirkungen des Klimawandels
einzugrenzen.“ Dem stimmt auch Sven Teske, Greenpeace-Experte
für erneuerbare Energien zu. „Wir haben ein
Zeitfenster von 10 Jahren, dann müssen die erneuerbaren
Energieträger wettbewerbsfähig sein.“
4. Globale Umweltpolitik – Wer macht das eigentlich?
Die wichtigste Institution, die globale Umweltpolitik zu
ihrer Aufgabe gemacht hat, ist das United Nations Environment
Programme (UNEP), das 1972 auf der ersten Weltumweltkonferenz
in Stockholm gegründet wurde. Durch
überzeugungsarbeit, Diplomatie und Aufklärung werden
die drängendsten Umweltfragen auf dem Planeten in das
Bewusstsein der Bevölkerung und der Politiker gerufen.
An der Spitze der UN-Institution, die seit fast einem Jahrzehnt unter
deutscher Führung ist, stand von 1998 an Klaus
Töpfer. Der frühere deutsche Umweltminister hat
entschieden dazu beigetragen, die UNEP zu einer international
anerkannten Institution zu machen. Bei seinem Kampf gegen die Umwelt
lag ihm vor allem die enge Verknüpfung von Ökologie
und Ökonomie am Herzen. Im Frühjahr 2006 wurde
Töpfer von Achim Steiner, dem bisherigen Generaldirektor der
Weltnaturschutzunion (International Union for Conservation of
Nature and Natural Resources - IUCN) abgelöst.
Steiner gilt sowohl in Umwelt- als auch in Wirtschaftsfragen als
anerkannter Experte und sieht eine mögliche Lösung in
der Einführung von Naturdienstleistungen, deren Kosten in
einem angemessenen Verhältnis zu ihrem wirtschaftlichen Nutzen
stehen sollen.
Gefragt, was er mit zehn Millionen anfangen würde, antwortete
Steiner: „ Ein Drittel würde ich in die Wissenschaft
investieren, um mehr über das ökosystem zu erfahren,
ein Drittel in die Kommunikation, um das Wissen an die Gesellschaft
weiterzugeben, und das letzte Drittel, um Umweltexperten und Menschen
aus Wirtschaft und Behörden zusammenzubringen. Noch
überlegen wir allzu viel, was uns trennt, und zu wenig, was
uns verbindet.“
5. Was wurde bereits getan?
Eine Milliarde Bäume will die UNEP in einer Aktion
zur Reduktion der Treibhausgase im Jahr 2007 weltweit pflanzen lassen,
von denen jeder 12 Kilogramm CO2 absorbiert und gleichzeitig den
Sauerstoffbedarf von vier Menschen deckt.
Neben solchen publikumswirksamen Aktionen wurde auch auf konventionelle
Weise einiges für den Klimaschutz in die Wege geleitet. Den
ersten Grundstein internationaler Umweltpolitik legte man 1972 auf der
Umweltkonferenz in Stockholm. Seitdem wurden die Ziele auf den
folgenden Weltklimagipfeln immer weiter präzisiert und fanden
in der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls einen Höhepunkt.
Die erste rechtsverbindliche Grundlage für die Reduktion von
Treibhausgasen war gelegt. Das Kyoto-Protokoll wurde nach seinem
Inkrafttreten im Februar 2005 von 141 Staaten ratifiziert, die
insgesamt 85 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen und
für 62 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sind. Den
beteiligten Industrieländern ist damit auferlegt, ihre
Emissionen von 2008 bis 2012 um 5 Prozent unter das Niveau von 1990 zu
senken.
Gleichzeitig hat die UNEP mit dem IPCC die größte
Forschungsinitiative in Sachen Erderwärmung
gegründet, die vor allem den Einfluss des Menschen untersucht.
2500 Wissenschaftler aus mehr als 130 Ländern haben in den
letzten Jahren mit zunehmender Präzision Statusberichte
publiziert, die derzeit als die aussagekräftigsten und
zuverlässigsten Zukunftsprognosen gelten.
6. Wodurch wird effektive Klimapolitik verhindert?
Alarmierenden Meldungen wie „Orkantief ‚
Kyrill’ war erst der Anfang“, „Australien
trocknet aus“ oder „Tropenkrankheiten dringen in
gemäßigte Breiten vor“ sind bisher kaum
Taten gefolgt. US-Präsident Georg W. Bush bezeichnete in
seiner diesjährigen Rede zur Lage der Nation den Klimawandel
erstmals als „ernste Herausforderung“ und
räumte ein, dass ein direkter Zusammenhang zwischen den
Kohlenstoffdioxid-Emissionen und der Erwärmung besteht. Zu den
Bremsern gehören aber nicht nur der größte
Treibhausgas-Produzent USA, der das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert
hat, sondern auch aufstrebende Länder wie China und Indien,
die als Entwicklungsländer nicht zur CO2-Reduktion gezwungen
sind. Ebenso wie Ölexporteure befürchten sie sinkende
Absätze und wirtschaftliche Einbußen durch
Klimaschutz-Auflagen in der Industrie.
Viele gegenläufige Anreize auf dem Weltmarkt tun ihr
übriges, um ein entschlossenes Vorgehen zu verhindern. Gibt es
beispielsweise einen Anreiz für ein Entwicklungsland, riesige
Regenwaldflächen unter Schutz zu stellen, wenn gleichzeitig
der Holzpreis so hoch ist, dass die Bevölkerung sich durch
Rodung der Wälder aus der Existenznot befreien kann?
Nicht nur die einzelnen Länder müssen sich bewegen.
Auch globale Institutionen wie die UNEP müssen
möglichst bald durch Reformen die nötige
Handlungsfähigkeit erlangen. Umstrukturierungen zu einer
Globalen Umweltorganisation (Global Environment Organisation
– GEO) oder einer Weltumwelt- und Entwicklungsorganisation (World
Environment and Development Organisation – WEDO)
sind lange schon im Gespräch.
7. Warum geht es nur gemeinsam?
„Wir sind hier im Auftrag der Menschheit zusammen
gekommen, weil wir erkennen müssen, dass der Klimawandel sehr
schnell zu einer der größten Bedrohungen geworden
ist, denen sich die Menschheit je stellen musste.“ Mit diesen
Worten eröffnete der Kenianische Vizepräsident Moody
Awori den UN-Klimagipfel in Nairobi im November 2006. Wir haben es mit
einem globalen Problem zu tun, das nur durch globale Zusammenarbeit
bewältigt werden kann.
Die Naturgesetze, die auf der Erde herrschen, kennen weder
Staatsgrenzen noch eingeschränkte Verfügungsbereiche.
Solange die Lösung globaler Probleme vom Wohlwollen einzelner
Individuen, Unternehmen und Institutionen abhängt, die ihre
Ziele auf freiwilliger Basis verfolgen, ist an Weltumweltpolitik nicht
zu denken. Staatenübergreifende Konzepte,
Sanktionsmöglichkeiten, genaue Ziel- und Zeitvorgaben und eine
gesicherte Finanzierung sind elementare Voraussetzungen, ohne die alle
Bemühungen ins Leere laufen.
8. Was kann jeder einzelne tun?
Wirkungsvoller Umweltschutz ist also nur Sache von
internationalen Organisationen? Ein klares Nein. Auch wenn es zu
spät sein sollte, die globale Erwärmung zu
verhindern, gibt es unzählige Möglichkeiten, wie
jeder einzelne seinen Beitrag leisten kann. Die EU-Kampagne
„Du kontrollierst das Klima“ hat ergeben, dass
Privathaushalte mit schätzungsweise 20 Prozent unmittelbar an
den Treibhausgas-Emissionen der Europäischen Union beteiligt
sind.
Wie kommt dieser Wert zustande? Allein die Hälfte wird durch
den Autoverkehr verursacht. Gehen Sie kurze Strecken zu Fuß
und achten Sie beim Kauf eines neuen Wagens auf seine
Umweltfreundlichkeit. Die schädlichen Emissionen entstehen
aber auch in weniger offensichtlichen Fällen. So produziert
der durchschnittliche Europäer am Tag 1 Kilo Müll,
der in energieaufwändigen Recycling- und Verbrennungsprozessen
beseitigt werden muss. Auch die Energiekosten von ineffektivem
Lüften von Räumen, Klimaanlagen, zu hoch
eingestellten Heizungen und dauerhaftem Stand-by-Betrieb von
Elektrogeräten sind nicht zu unterschätzen. Aktiver
Umweltschutz kann auch durch den Konsum regionaler Lebensmittel
betrieben werden. Denn schon für den Import einer Flasche
kalifornischen Weins werden bis zu sechs Liter Kerosin
benötigt!
9. Lohnt sich Umweltschutz?
Ein Blick in die Zeitung genügt. Arbeitslosigkeit,
Armut, Korruption und Gewalt – das sind Probleme, die uns
tagtäglich ins Bewusstsein gerufen werden. Sind sie nicht von
existentiellerer Bedeutung und verlangen sie nicht nach einer
schnelleren Lösung als Umweltschutz? Tatsächlich
scheint die Sorge um die natürliche Lebensgrundlage ein Luxus
zu sein, den wir Menschen uns nur leisten, wenn es keine akuten
Probleme gibt, von denen wir uns direkt betroffen fühlen. Im
Falle der Erderwärmung ist diese Trennung problematisch.
Auch in der Wirtschaft spricht es sich langsam herum, dass sich durch
Verringerung der Treibhausgasemissionen nicht nur der Klimawandel
bekämpfen lässt, sondern langfristig auch Geld
gespart und die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden kann.
Die Klimaproblematik hat direkte Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik
und Wirtschaft. Diese ökonomische Reichweite beweisen
zahlreiche Studien.
Im Bericht des ehemaligen Weltbank-Chefökonomen Nicholas
Stern, den der Britische Premierminister Tony Blair als einen der
wichtigsten bezeichnet, den er in seiner Amtszeit erhalten hat, werden
die Kosten eines ungebremsten Klimawandels kalkuliert. Die Folgekosten
können demnach bis zu 20 Prozent des jährlichen
weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen. Mit einem finanziellen
Einsatz von 1 Prozent des weltweiten BIPs könnten die
Treibhausgasemissionen bis 2050 um die Hälfte verringert
werden.
Die Erderwärmung könnte unser Leben damit schon bald
in weitaus größerem Maße
beeinträchtigen als es die Weltkriege oder die
Weltwirtschaftskrise getan haben. „Der Klimawandel muss in
der Weltpolitik seinen Platz neben Kriegen und Armut finden“,
forderte der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan.
„Als Bedrohung für Sicherheit und Frieden muss die
globale Erwärmung wenigstens ebenso viel Beachtung
genießen wie die Vermeidung von bewaffneten Konflikten oder
die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen.“ Klaus
Töpfer stimmt ihm zu: „Internationale Umweltpolitik
ist auch globale Friedenspolitik.“
10. Warum freuen wir uns nicht einfach auf einen
längeren Sommer?
Trotz aller Krisen ist es auf der Erde doch immer
weitergegangen, halten viele unverwüstliche Optimisten den
wissenschaftlichen Prognosen entgegen. Der Mensch ist intelligent,
kreativ und erfinderisch und hat sich in der Vergangenheit aus manch
ausweglos erscheinender Situation erfolgreich befreit. Früher
einmal tödlich verlaufende Krankheiten wurden besiegt, die
Naturgewalten größtenteils bezwungen und nicht
zuletzt der Code des Lebens entschlüsselt. Warum sollten wir
nicht auch dieses Mal als Sieger hervorgehen?
Der Unterschied liegt auf der Hand: Bei den klimatischen
Veränderungen handelt es sich nicht um eine Bedrohung, die nur
einen Teil der Menschheit betrifft, sondern um einen Wandel, von dessen
Ausmaß die gesamte menschliche Existenz abhängt.
Schon ein geringer Temperaturanstieg hat weitreichende Auswirkungen auf
das komplexe und empfindliche Ökosystem der Erde, und kein
Modellversuch vermag sie in ihrer vollen Dimension zu berechnen.
Abzuwarten, ob sich eines der Schreckensszenarien bewahrheiten wird,
ist in diesem Fall wohl die gefährlichste Strategie. Auch der
Mensch besitzt nur eine begrenzte Anpassungsfähigkeit und ist
auf konstante Umweltbedingungen angewiesen, möchte er sich
nicht selbst zu den 16.119 bedrohten Arten auf die Rote Liste setzen.
Und das Fazit aus alledem?
Ganz gleich wie erdrückend die Beweislage auch sein
mag, wir sollten die Herausforderung annehmen. Ganz nach Che Guevaras
Appell „Du hast keine Chance, nutze sie!“