Voodoo im Labor

Eine Glosse von Anja Smykowski

Werden an Universitäten und seriösen Forschungsinstituten magische Praktiken ausgeübt? Fast will man es glauben, wenn man dem Laborpersonal zuhört.

Für jeden, der schon einmal im Labor gearbeitet hat, ist Voodoo ein lebhafter Begriff. Mit Religion hat er zwar nichts zu tun, auch Opfer-Darbietungen und Voodoo-Puppen kommen nicht zum Einsatz. Der Labor-Voodoo unterscheidet sich von seinen afrikanischen und haitianischen Wurzeln, was ihn aber nicht weniger mysteriös und wirkungsvoll erscheinen lässt.

Ich selbst bin mittlerweile zum Anhänger dieser abgewandelten Religionsform geworden. Als Naturwissenschaftler hat man nämlich grundsätzlich zwei Probleme: Erstens muss man Messergebnisse erlangen, die möglichst das Modell belegen, das man sich zuvor im Kopf ausgetüftelt hat. Und als ob das nicht schwer genug wäre, müssen diese Ergebnisse zweitens reproduzierbar sein.

Und genau hier kommt der Voodoo ins Spiel. Was würden Sie denn machen, wenn Sie einen Versuch bis ins kleinste Detail mehrmals wiederholen und jedes Mal, aber auch wirklich jedes Mal ein komplett anderes Ergebnis dabei heraus kommt? Die banalsten Versuchsabläufe werden zu unüberwindbaren Hindernissen, weil sich anscheinend von einer Minute auf die andere irgendetwas ändert, das sich fern jeglicher Logik abspielt.

Wenn dann zum ersten Mal Ratschläge von Kollegen kommen, wie: „Vielleicht liegt es an der Mondkonstellation, oder hast du schlechte Laune gehabt?“, dann fasst man sich zunächst an den Kopf. Man ist doch schließlich Wissenschaftler! Meine Laune kann ja wohl schlecht auf die Probe in meinem Eppendorf-Gefäß überspringen. Der Mond hat zwar eine Auswirkung auf die Gezeiten, ich kann mir jedoch kaum vorstellen, dass meine winzig kleine Probe nur bei Neumond konstante Messergebnisse liefert.


Eine Thermoskanne aus Großmutters Zeiten

Man versucht es also weiter! Wenn man schließlich alle denkbaren Gründe ausgeschlossen hat, einige Veränderungen an der Temperatur, den Gefäßen, den Messzeiten vorgenommen hat und sich wieder kein Resultat einstellt, dann fragt man schließlich doch nach den mysteriöseren Techniken. „Hast du es schon mal mit der Voodoo-Flasche probiert?“, wird mir dann geraten. Nein, an die Voodoo Flasche hatte ich noch nicht gedacht. Was zum Teufel das ist?

Tja, lieber Leser, die Voodoo-Flasche ist eine uralte Thermoskanne aus Großmutters Zeiten, wundervoll koloriert, mit Tüchern ausgefüllt, in die man seine Probe hineinbettet. Die Probe scheint sich da pudelwohl zu fühlen, vielleicht hat es etwas mit ihrem Gemütszustand zu tun, jedenfalls – und das ist zum Aus-der-Haut-Fahren – ES KLAPPT!

Ich erkläre mir jetzt natürlich wissenschaftlich, dass es in der Thermoskanne wahrscheinlich einfach weniger Temperaturschwankungen gibt, oder dass die Probe länger kühl bleibt. Wie auch immer, ich mache den Versuch haargenau gleich in meiner eigenen Thermoskanne (ich kann ja schließlich nicht andauernd die Arbeit von fremden Thermoskannen in Anspruch nehmen) und siehe da – ES KLAPPT NICHT! Vielleicht hat meine Thermoskanne die Ausbildung zur Voodoo-Großmeisterin nicht geschafft – fragen Sie mich nicht! Ich werfe das Handtuch. Logisch denken ist für die Katz’, ich will mehr Voodoo-Ratschläge!

Auf meinen Streifzügen erfahre ich viele weitere brauchbare Dinge. Ein paar frühere Kollegen haben immer nur nach bestimmten Mondphasen gearbeitet, und die Ergebnisse waren konstant. Da denke ich mir doch, das mach ich auch! Weniger erfolglose Wiederholungen, mehr Freizeit in den mondungünstigen Phasen!

Das Handauflegen ist auch eine anerkannte Methode zur Verbesserung der Versuchsergebnisse. Wenn ein Versuch einmal nicht auf Anhieb klappen will, dann sucht man sich einen Wissenschaftler, der positive Energie ausstrahlt, bei dem also alle Versuche in der letzten Zeit erfolgreich waren, und lässt ihn seine magische Hand auf die eigenen Proben legen. Soll wahre Wunder wirken.

Es scheint auch hilfreich zu sein, mit Musik die eigene Laune zu steigert. Also los! „I will survive“ oder „We are the champions“ auflegen, losträllern und die Hüften schwingen lassen, das macht Laune! Alles andere wird dann schon! Schließlich kommt es in der Wissenschaft aufs Ergebnis an. Oder nicht? Pfeil


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Stand: November 2008 - webdesign: Graser & Peter