Kalte Dusche für Solaranlagen?

von Sarah Adler und Lisa Peter

Solartechnik ist in – denn sie macht uns unabhängig von ausländischem Strom und Gas und sie gilt als umweltfreundlich. Kein Wunder, dass die Solarbranche boomt: Im Jahr 2006 stiegen die Umsätze um rund 60 Prozent, die Börsenkurse der Unternehmen schossen zum Teil um 100 Prozent in die Höhe. Doch ist Solartechnik auch für Privathaushalte geeignet? Eine Familie hat es ausprobiert und festgestellt: Der Teufel steckt noch im Detail.

Kenner wissen es: Es gibt mehr als nur eine Möglichkeit, die Energie der Sonne nutzbar zu machen. Am weitesten verbreitet sind die Solarthermie und die Photovoltaik. Die Firma SunTechnics GmbH mit Sitz in Hamburg bietet beide Arten von Solar-Anlagen an. Pressesprecherin Eva Däuker erläutert: „Während die Solarthermie hauptsächlich zum Erhitzen von Wasser und generell zum Heizen verwendet wird, erzeugt die Photovoltaik Strom, der außerdem nicht nur zum Eigengebrauch benötigt wird. Die überschüssige Energie wird in ein normales Stromnetz eingespeist.“

Die Technik

Beide Prinzipien sind nicht neu. Bereits in der Antike kannte und nutzte man die wärmespeichernde Kraft von Wasser, und mit Beginn der Raumfahrt konnte die Sonne als Stromerzeuger genutzt werden.

Die Umwandlung von Licht in Strom ist technisch relativ einfach. Durch Lichteinstrahlung werden in einem Festkörper positive und negative Ladungsträger freigesetzt – elektrischer Strom fließt.

Solarzelle schematisch
Schematischer Aufbau und Funktion einer Solarzelle.
Grafik: SunTechnics
Das Kernstück einer Solarthermie-Anlage ist ein meist metallener, lichtabsorbierender Kollektor, der mit einer wärmespeichernden Flüssigkeit durchzogen ist und auf dem Dach positioniert wird. Dieser Kollektor ist über einen Regler mit der Solarkreis-Umwälzpumpe und damit mit dem Warmwasserspeicher verbunden. übersteigt nun die Temperatur der Wärmeträgerflüssigkeit die des Kollektors, wird der Warmwasserspeicher neu gefüllt. Wird die Temperatur unterschritten, schaltet sich automatisch die ölheizung ein.

Die Industrie wirbt mit erklecklichen Ersparnissen: Mit einer solarthermischen Anlage können zwischen 50 und 65 Prozent des Warmwasserbedarfs eines Haushaltes gedeckt werden – eine konventionelle Heizung ist dann zu Sonnenzeiten überflüssig. Im Gegensatz zum elektrischen Energieverbrauch bleibt der Warmwasserverbrauch eines Haushalts relativ konstant und ist damit gut berechenbar, eine optimale Auslastung der Anlage ist damit nahezu gewährleistet.

Der Praxistest

Anlagenschema Solarthermie.
Grafik: SunTechnics

So ist es zumindest in der Theorie. In Rainau-Buch, einem kleinen Örtchen auf der Ostalb, hat man sich seit der erfolgreichen Verhinderung einer Müllverbrennungsanlage vor fünf Jahren sehr mit dem Thema umweltfreundliche Energiegewinnung beschäftigt. Familie Braun* heizt seit 3 Jahren mit Holzpellets, überlegt aber, auf Geothermie umzusteigen, wenn die CO2-Werte der Anlage zu hoch sein sollten. Andere setzen auf die Solartechnik. Familie Hirsch*, bestehend aus Vater, Mutter und zwei Söhnen im Alter von 27 und 25, wollte wissen, ob sie auch in der Praxis funktioniert. Als letztes Jahr eine Renovierung des Dachgeschosses fällig war, ließen sich die Hirschs gleich beide Systeme installieren: Photovoltaik und Solarthermie. über den Preis will niemand etwas sagen. „Das gibt einen falschen Eindruck, weil sich das Ganze erst in zehn Jahren rechnet“, sagt Manfred Hirsch, der Vater. „Es war teuer genug“, fügt Sohn Jan skeptisch hinzu.

Seit der Installation herrscht allerdings Unmut in der Familie. Eine der Anlagen piepst an sonnigen Tagen auf hoher Frequenz durch das ganze Haus, so dass man nur wenig Zeit im Hausflur verbringen möchte. Schlimmer sind aber die Feineinstellungen bei der solarthermischen Anlage. „Am liebsten wäre es mir, morgens um drei Uhr einen zuverlässigen Wetterbericht zu haben und eine Funksteuerung für die solarthermische Anlage, so dass ich das Nötigste vom Geschäft aus regeln kann“, sagt Hirsch. Er ist Abteilungsleiter bei einer Firma für Sondermaschinen und beginnt seinen Tag morgens um 4.30 Uhr, denn dann kann er noch in Ruhe arbeiten „bevor das Telefon das erste Mal klingelt.“

„Letztes Jahr ging der Ölbrenner auch im Sommer an und zwar immer dann, wenn die Temperatur draußen unter 20 Grad gefallen ist. Das war vollkommen unnötig, denn der Warmwassertank war noch voll“, erzählt er. Daraufhin wurden die Einstellungen geändert.

Im Winter hat die Familie dann das gegenteilige Problem: Der Ölbrenner springt zu spät an und wenn alle Familienmitglieder nacheinander duschen, dann hat der letzte nur noch lauwarmes Wasser zu Verfügung. Da Manfred Hirsch seinen Tag so früh beginnt, hat er immer warmes Wasser. Sein älterer Sohn Jan macht sich um 6.30 Uhr auf den Weg zur Arbeit. Auch er hat noch gute Chancen auf einen vollen Warmwassertank. Mutter Bärbel Hirsch steht als nächste auf – sie muss um acht Uhr im Rathaus anfangen. Manchmal hat sie das Gefühl das Wasser würde gegen Ende der Dusche kälter werden. Das Nachsehen hat meist der jüngste Sohn, Peter. Er steht als letztes auf, weil sein Tag erst morgens um zehn Uhr an der Hochschule für Technik und Wirtschaft beginnt. Die Anlage bietet aber nur zwei Einstellungsmöglichkeiten: Entweder man macht das Zusammenspiel von Öl- und Solarheizung von der Solarzellentemperatur oder von der Uhrzeit abhängig.

Zurzeit ist sie auf Temperatur eingestellt. Würde Herr Hirsch auf Uhrzeit umstellen, müsste er genau wissen, um wie viel Uhr das meiste warme Wasser benötigt wird. Stellt er die Uhrzeit auf morgens ein, wird das Wasser den ganzen Tag bei 60 Grad Celsius erwärmt, auch wenn es nicht benutzt wird. Auf abends eingestellt, könnte es passieren, dass ein morgens duschendes Familienmitglied sprichwörtlich eine „kalte Dusche bekommt“. „Da müssen wir halt noch ein bisschen experimentieren“; sagt Hirsch. Auf keinen Fall aber wollen sie einen Warmwasserplan erstellen. „Es muss doch möglich sein, dass jeder warmes Wasser haben kann wann er will“ sagt Hirsch.

Es gibt aber auch Grund zur Freude. Der Ölverbrauch hat sich durch die Anlage bereits deutlich reduziert. „Wir sind von einem Verbrauch von knapp 5000 Liter öl im Jahr auf einen Verbrauch von knappen 3000 Liter im Jahr 2005 gekommen. Dabei heizen wir nicht weniger“ freut sich Herr Hirsch.

Es gibt immer etwas zu tun

Photovoltaik-Großanlage in Südkorea.
Foto: SunTechnics

In der Industrie weiß man, dass es noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt, nicht nur bei der Steuerung. Auch mit dem Wirkungsgrad der Solartechnik ist man noch nicht zufrieden. „Ähnlich wie in der Autoindustrie ist die Technik heute schon sehr ausgereift, aber in punkto Energieeffizienz und Materialersparnis wird noch weiterhin gearbeitet“, so Eva Däuker von SunTechnics, „das ist in etwa so wie bei Mobiltelefonen, alles soll immer kleiner und leistungsfähiger werden.“

Schattenzeiten sollen besser nutzbar gemacht werden, und in der Photovoltaik muss die Verwendung des Rohstoffs Silizium verringert werden, dessen Verarbeitung aufgrund des benötigten Reinheitsgrades nur mit einem großen Energieaufwand möglich ist.

Ambitionierte Forscher arbeiten bereits an einer Solarzelle auf organischer Basis. Dabei soll die Photosynthese von Pflanzen nachgestellt werden. Sowohl an der Universität Oldenburg als auch an der Universität Freiburg wurde das Prinzip der Photosynthese bereits erfolgreich umgesetzt. Die Universität Oldenburg schaffte es im Jahr 2002 zum Beispiel, aus lichtempfindlichem Plastik Energie zu gewinnen. Dazu wurde einer Sorte Plastik, ähnlich der haushaltsüblichen Frischhaltefolie, ein lichtempfindlicher Farbstoff beigemischt.

Der einzige Unterschied zu einer herkömmlichen Solarzelle ist der Stoff, der die Energie umsetzt: Statt Silizium werden organische Polymere, also Kohlenwasserstoffverbindungen, eingesetzt. Forscher am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entdeckten 2004, dass Proteine aus Spinat ebenfalls leitende Fähigkeiten haben. Man konnte tatsächlich eine Spinatprotein-Solarzelle entwickeln, die für drei Wochen eine Auslastung von 20 Prozent erreichte.

Vom Verbraucher zum Erzeuger

Trotz aller Herausforderungen an die Technik, die Vorteile von Solarenergie liegen schon jetzt klar auf der Hand: Kostengünstigkeit und Umweltfreundlichkeit. Mit einer Photovoltaik-Anlage kann man ca. 10 Prozent des Stromverbrauchs reduzieren. Deswegen lohnt sich nach Däuker auch eine private Solaranlage auf dem eigenen Hausdach: „Eine Photovoltaik-Anlage hat nicht nur den Vorteil, dass man sich von Energieanbietern unabhängiger macht, sie ist auch noch finanziell rentabel, da pro ins Netz eingespeister Kilowattstunde rund fünfzig Cent vergütet werden. Der Besitzer wird somit selbst zum Energielieferanten und Unternehmer.“ Ein weiterer Anreiz von staatlicher Seite ist die Preisgarantie für die eingespeiste Kilowattstunde Strom für die nächsten zwanzig Jahre – damit kann man fest kalkulieren.

Wieder sieht alles ein wenig anders aus, wenn man die Solarpioniere aus Rainau-Buch befragt. Nicht nur Manfred Hirsch, der Vater, kämpft mit der Technik, auch Bärbel Hirsch, die Mutter, wird von Sorgen geplagt. Sie ist für die Steuererklärungen zuständig, also fällt die Photovoltaik-Anlage in ihren Zuständigkeitsbereich. „Ich hab schon zweimal dieses Jahr die Unternehmenssteuererklärung zurück bekommen, weil ich sie falsch ausgefüllt habe“ beschwert sie sich. „Dabei schreibt das Finanzamt nicht einmal, woran es gelegen hat.“

Die Stromrechnung der Hirschs hat sich bisher nicht verringert, im Gegenteil. Neue Anschaffungen haben sie in die Höhe schnellen lassen. „Ich verstehe das nicht“, sagt Herr Hirsch. „Als wir das Haus Ende der 70er gebaut haben, haben wir rund 3000 Kilowattstunden gebraucht. Wenn ich mir die heutige Stromrechnung anschaue, dann hat sich der Verbrauch fast verdreifacht.“

Er ist gespannt auf die erste Abrechnung seit Installation der Photovoltaik-Anlage, aber da muss er sich noch etwas gedulden. „Ich bin mir sicher, das bringt was“, sagt er und grinst. Seine Frau ist da nicht so optimistisch. Sie findet: Die Photovoltaik-Anlage hat sich nicht gelohnt. „Die Produktionskosten für die Solarzellen sind erst nach zehn bis 15 Jahren wieder eingenommen und die Installationskosten erst nach nochmals 10 bis 15 Jahren. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von 30 Jahren pro Anlage glaube ich nicht, dass wir mit Photovoltaik besser fahren. Auch wenn es angeblich umweltfreundlicher ist.“ Pfeil

*Namen wurden von der Redaktion geändert.

Lesen Sie auch: Berufe mit Zukunft: Solarteur


Weitere Infos zur Solarenergie:

www.solarserver.de – Das Internetportal zur Sonnenenergie,
www.fv-sonnenenergie.de – Der Forschungsverbund Sonnenenergie.

Zu den neuesten Entwicklungen in der Solarzellen-Forschung:
bei nano von 3sat (lichtempfindliches Plastik),
bei www.wissenschaft.de (Spinat-Solarzelle).


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