Berufe mit Zukunft (3):
Der auf dem Baum sitzt
von Ulrike Küchler
Cyril Kroczek ist Baumkletterer. Seit neun Jahren arbeitet er nun schon auf Bäumen – auch wenn er Interviews gibt: „Ich kann mir nicht vorstellen, etwas anderes zu machen.“
Cyril Kroczek ist ein eher wortkarger Mensch; er spricht nicht oft über sich, hat er doch mehr mit Bäumen als mit Menschen zu tun. Neun Jahre ist es her, seit der Beruf von ihm Besitz ergriff: „Ich habe damals jemanden gesehen, der geklettert ist und ich habe gewusst, das ist meine Arbeit.“ Dabei ist Kroczek zuvor nicht einmal mit der doch oft schwindelerregenden Höhe vertraut gewesen; ein Bergsteiger ist an ihm nicht verloren gegangen. Es waren tatsächlich die Bäume, die ihn faszinierten. Gelernt hat Kroczek seinen Beruf in Frankreich, wo er geboren wurde und aufwuchs, und in Deutschland. Heute lebt und arbeitet er im Raum Leipzig.
Vom Sport zum Beruf
Hoch im Baume.
Foto: www.der-baumkletterer.de
In der Vergangenheit etablierte sich das Baumklettern
zunächst als eine Art außergewöhnlicher
Freizeitsport: Bereits seit 1975 gibt es den so genannten International
Tree Climbing Championship (ITCC); begründet wurde
dieser Wettbewerb von Dick Alvarez aus Atascadero, Kalifornien. Hier
klettern Teilnehmer aus aller Herren Länder nur unter
Zuhilfenahme eines Seils miteinander um die Wette. Der ITCC untersteht
der International Society of Arboriculture (ISA),
einer weltweiten Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat,
Bäume in das öffentliche Bewusstsein zu
rücken und Forschung, spezifische Technologien und die
professionelle Baumpflege zu fördern.
Durch internationale Organisationen wie die ISA konnte der Beruf des
Baumkletterers in den vergangenen Jahren mehr und mehr etabliert
werden. Stadt- und Gemeindeverwaltungen haben erkannt, dass eine
professionelle Baumpflege sich auch positiv auf das
äußere Erscheinungsbild ihrer Stadt oder Gemeinde
auswirkt. Nicht umsonst spricht man von Parks als den grünen
Lungen der Großstädte. So gehören heute zur
Baumpflege neben dem Fällen hinderlicher, kranker und toter
Bäume auch und in erster Linie das Beschneiden gesunder
Bäume.
Doch wozu braucht man dafür eigentlich einen Baumkletterer?
Oft passiert es, so Kroczek, dass „der Baum mit
Geräten nicht zu erreichen ist, da kommt man nicht ran mit
Hebebühnen oder Technik, deshalb kommen wir.“ Auch
geschieht es leider viel zu häufig, dass ein Baum der
Wachstumslust der sich immer mehr ausbreitenden Städte im Wege
steht. Ihre Wurzeln fressen sich in Bürgersteige und
Straßen und bringen auch schon mal ganze Gebäude ins
Wanken. Ist dies der Fall, wird der Baumkletterer gerufen, auch von
Privatpersonen. „Die Leute brauchen Platz“, fasst
Kroczek die Situation lapidar zusammen.
„Jetzt bin ich auf einem Baum“
Tatsächlich verbringt Kroczek einen
Großteil seiner Zeit auf Bäumen. Morgens um acht
geht es los. Mehr als eine halbe Stunde ist er meistens nicht
unterwegs, „und dann gehen wir auf die
Bäume“. Am Tage des Interviews saß er auf
einer Lerche. Die Lerche sollte gefällt werden, da sie schief
stand und außerdem durch ihr Wurzelwerk schon einiges in der
Umgebung kaputt gemacht hatte.
Zum Fällen der Bäume geht Kroczek nach einer
bestimmten Methodik vor. Natürlich ist die Vorgehensweise auch
immer ein wenig abhängig davon, wo der Baum steht. Aber
abgesehen von Sonderfällen ist die gängige Prozedur
die folgende: Kroczek beginnt zunächst damit, die untersten
Äste Stück für Stück mit einer
Motorsäge abzusägen. Die Zuhilfenahme eines Seils
ermöglicht es ihm, sich in der Baumkrone
verhältnismäßig frei zu bewegen. Dann
folgen die höher liegenden Äste, so lange, bis nur
noch der Stamm übrig ist. Dieser wird dann
„Stück für Stück von oben her
abgetragen“. Auf diese Art und Weise hat Kroczek schon die
unterschiedlichsten Arten von Bäumen gefällt oder
beschnitten: vom Bonsai über die deutsche Eiche bis hin zum
Mammutbaum in Frankreich.
Die Ausbildung: Baumbiologie und Baumstatik
In Deutschland gibt es inzwischen über 1000 Baumkletterer, die Nachfrage steigt kontinuierlich, wie auch Kroczek erfahren muss. Trotzdem gibt es bis heute bundesweit keine eigenständige Ausbildung zum Baumkletterer. Immerhin kann man sich aber beispielsweise in Berlin zum Fachagrarwirt für Baumpflege und Baumsanierung ausbilden lassen. Zur Grundausbildung zählen laut Kroczek unter anderem „Baumbiologie, Baumstatik, wie ein Baum funktioniert, wie die Bäume heißen, wie groß sie werden“. Außerdem gibt es Kletterlehrgänge an verschiedenen Schulen. Um als Baumkletterer tätig sein zu dürfen, benötigt man heutzutage mindestens den Kletterschein A. Hat man diesen erworben, bleibt nur noch, „Baum heil“ zu wünschen.
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